Licht und Dunkelheit
ungezogen.«
»Nur, weil Ihr Augen habt, die mich verzaubern, Mylady.«
»Dafür darf ich Euch noch eine Frage stellen«, flüsterte sie. Verwundert zog er die Augenbrauen hoch.
»Laufen weitere Wetten, die meine Person betreffen?«
Er grinste breit. »Das kann ich Euch nicht verraten, es würde den Ausgang beeinflussen.«
Damit ließ er Levarda sprachlos zurück.
Rika verschwand schimpfend im Dienstboteneingang. Obwohl sie außerhalb der Ställe geblieben war, hatte sich bei dem Spaziergang Schmutz in ihren Kleidern verfangen. Amüsiert sah ihr Levarda nach.
Freundlich sprach sie Bernar an: »Du brauchst mir nicht mehr zu folgen. Ich begebe mich direkt in mein Zimmer, versprochen.«
Er nickte. Levarda stieg langsam die Treppe hoch, aber bevor sie den Absatz erreichte, hörte sie hinter sich die Stimme des Dieners.
»Mylady«, rief er, »Lord Otis möchte Euch sprechen. Er wartet in der Bibliothek auf Euch.«
Sie zögerte. Nach einem Gespräch mit dem Hausherrn stand ihr nicht der Sinn. Sie überlegte, ob sie eine Unpässlichkeit vortäuschen könnte, aber angesichts der Tatsache, dass sie soeben noch draußen herumgelaufen war, stieg sie folgsam die Treppe hinab. Bernar wartete unten und ging dann voran.
»Verzeih meine Neugierde, Bernar, aber woher wusstest du plötzlich, dass Lord Otis mich sprechen möchte?«
»Mitas kam in die Halle, um Euch zu holen, aber ich dachte, ich bringe Euch selbst zum Herrn.« Er öffnete die Tür zur Bibliothek. »Mylord, Lady Levarda«, kündigte er sie an.
»Kommt zu mir, Mylady, und setzt Euch«, kam der knappe Befehl aus dem hinteren Teil des Raumes.
Levarda hatte zum ersten Mal eine Bibliothek auf Burg Hodlukay gesehen, doch diese hier erstreckte sich über mehrere Ebenen. Die Wände standen voll mit Büchern. Es gab Treppenaufgänge und Galerien, die jede Ebene erreichbar machten. Alles war offen. Der Anblick dieser Vielzahl von Büchern, die Präsenz von Wissen, das diese enthielten, überwältigte Levarda.
Es gab einen Kamin mit einer Couch und zwei Sesseln mitten im Raum. Am Ende, direkt gegenüber der Tür, stand ein ausladender Schreibtisch, an dem Lord Otis mit Blickrichtung zur Tür saß, den Kopf gesenkt, und seine Feder über das Papier huschen ließ.
Bernar schloss die Tür hinter ihr, blieb aber selbst im Raum, was Levarda sehr entgegenkam.
Da Lord Otis bisher nicht einmal sein Haupt gehoben hatte, schlenderte sie ehrfurchtsvoll an der Wand entlang zum Schreibtisch. Sie betrachtete staunend die Bücher und las die Titel. Als sie einen Band aus Mintra entdeckte, rutschte ihr ein leiser Ausruf heraus. Sie zog ihn vorsichtig heraus.
»Übersicht der Heilkräuter« las sie auf dem Einband. Sie schlug es auf und sah den Namen der Verfasserin – Grimasaldis.
Behutsam blätterte sie eine Seite um. Dieses Buch war eine absolute Kostbarkeit. Grimasaldis gehörte zu den ersten Ältesten, die ihr Wissen in schriftlicher Form hinterlassen hatten. In Mintra gab es eine Niederschrift von ihr, zu dem nur die oberste Heilerin Zugang bekam. Levarda betrachtete die bogenförmige, feine Schrift, die alten, komplizierten Wörter, die selbst ihr nicht mehr geläufig waren.
»Wenn Ihr versprecht, es mir wiederzugeben, dürft Ihr es mit in mein Gemach nehmen.«
Levarda zuckte erschrocken zusammen. Sie hatte die Anwesenheit von Lord Otis völlig vergessen. Ihre Reaktion löste ein unwilliges Grunzen von seiner Lordschaft aus.
»Setzt Euch, ich muss den Brief noch fertig schreiben.«
Das Buch in ihren Händen, platzierte sie sich brav auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch. Sie wollte durch ihr Benehmen nicht sein Missfallen wecken, denn sie brannte darauf, darin zu lesen. Mit gesenkten Lidern betrachtete sie den Mann vor sich. Seine feingeschwungenen Augenbrauen saßen diesmal an der Stelle, wo sie hingehörten. Seine Narbe war blass, sein Mund konzentriert und entspannt, wie ihn Levarda bisher nie gesehen hatte.
In diesem Augenblick begann die Veränderung. Seine Augenbrauen trafen sich in der Mitte. Seine Kiefermuskeln spannten sich.
»Ihr beobachtet mich«, seine Augen wurden Schlitze, »unterlasst das!«
Sie wollte schnippisch erwidern, dass er ihr ja keine andere Wahl ließ, schwieg aber. Stattdessen öffnete sie erneut das Buch und vertiefte sich in das erste Kapitel.
»Alles, was wir brauchen, schenkt uns Lishar. Unsere Augen müssen lernen, die Wunder zu erkennen, denn viel leichter fällt es uns, mit dem Herzen die Energien der Pflanzen zu erspüren als
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