Licht und Dunkelheit
verwendet.«
Levarda war verunsichert, verstand nicht, was die Dame mit dieser Bemerkung ausdrücken wollte.
Diese winkte ab. »Verzeiht meine Unterbrechung, das war unhöflich von mir. Fahrt bitte fort.«
»Lady Tibana ist die Schwester meiner Mutter, müsst Ihr wissen. Ich verfüge über einiges Geschick in der Heilkunst, darum erbat Lady Tibana meine Hilfe für die Aufgabe, vor der Lady Smira steht.«
»Ah, ich verstehe. Lord Blourred möchte sichergehen, dass seiner Tochter das gelingt, woran zuvor sechs Frauen gescheitert sind.«
Levarda musterte die ältere Dame, die ihrerseits die Stirn in Falten gelegt hatte und sie betrachtete.
»Ihr habt ein ehrliches, offenes Gesicht. Ihr strahlt etwas aus, das mich an einen Menschen erinnert, dem ich vor sehr langer Zeit begegnete. Aber sagt mir, wie hat Lord Blourred Euren Vater zwingen können, Euch in den sicheren Tod zu schicken?«
»Niemand hat –«, Levarda zögerte einen winzigen Moment, »meinen Vater zu etwas gezwungen, und auch mich nicht. Es war meine freie Entscheidung, die mich hergeführt hat.«
»Eure freie Entscheidung? In einer solchen Sache? Wer ist Euer Vater? Mit welchem Lord ist Eure Mutter verheiratet?«
Röte schoss in Levardas Gesicht. Verunsichert senkte sie den Blick, starrte auf ihre Hände. Sie hatte die Festung des hohen Lords gerade erst betreten und machte schon den ersten Fehler.
Die warme Hand der alten Dame legte sich mit sanftem, beruhigendem Druck auf ihre.
»Keine Sorge, mein Kind, von mir wird niemand etwas über Eure Herkunft erfahren. Ich vergaß, dass Lady Tibana aus Mintra stammt.« Sie blinzelte Levarda zu, als diese ihr zögerlich ins Gesicht sah, »und jetzt, wo ich mich daran erinnere, wundert es mich auch nicht mehr, dass Ihr mich an meinen lieben Freund erinnert. Doch zurück zu Lord Blourred. Welche Lügen hat er Euch erzählt, damit Ihr diese Aufgabe annehmt?«
Levarda schüttelte den Kopf und seufzte. Musste sie sich ein weiteres Mal – in gewisser Weise vor sich selbst – rechtfertigen? »Er hat mir keine Lügen erzählt. Ich wusste, worauf ich mich einlasse.«
Lady Eluis hob die Hand und legte sie auf Levardas Kopf. Zart streichelte sie ihr offenes Haar. Nach dem Streit wegen des Kleides hatte Adrijana die Zeit für eine Hochsteckfrisur gefehlt.
»Wieso verschenkt Ihr dann Euer Leben?«
Tränen traten Levarda in die Augen. Die Worte der Älteren trafen sie mit ihrer Sanftheit tief im Herzen und rührten an ein Wissen, das sie zu verdrängen suchte, wann immer sie darüber nachdachte, welche Möglichkeiten ihr überhaupt zur Verfügung standen.
Sie dachte daran, was Adrijana hatte erleiden müssen, an die sechs toten Ehefrauen des hohen Lords, an die eine, die sie in ihrem Kopf gesehen hatte, vor Lord Otis kniend und um ihr Leben flehend. Sie dachte an die Bilder des Todes und der Zerstörung, die ihr in der Vision am See zuteilgeworden waren und an die sie tagtäglich durch die weiße Strähne in ihrem Haar erinnert wurde.
»Ich möchte, dass das Leid der Frauen auf dieser Welt ein Ende hat. Ich möchte, dass die Menschen in Frieden leben können, wenigstens eine Zeit lang«, sprach sie leise, während ihr still die Tränen die Wange hinunterliefen.
»Dann seid Ihr eine sehr starke, mutige Frau.«
Sie schwiegen beide.
Levarda sammelte sich, wischte sich die Tränen aus den Augen.
Lady Eluis reichte ihr ein Taschentuch.
»Verzeiht. Ich wollte Euer Gespräch nicht stören«, räusperte sich jemand hinter Levarda und sie erkannte die Stimme von Egris.
»Das tut Ihr nicht, Egris«, erwiderte Lady Eluis gelassen, »tretet ruhig näher.«
»Wenn Ihr nichts dagegen habt, Lady Eluis, würde ich Euch gern Lady Levarda entführen.«
»Oh, wenn Ihr mir versprecht, das arme Ding nicht zum Tanzen zu zwingen und es nicht an die Tafel zu führen, könnt Ihr sie mitnehmen.«
Egris grinste. »Ich stelle sie nur meiner Frau vor, versprochen.«
»Eine ausgezeichnete Idee!«
Levarda hatte inzwischen alle Spuren ihrer Tränen beseitigt. Galant reichte er ihr einen Arm. »Lady Levarda, würdet Ihr mich begleiten?«
»Sehr gern, Egris.« Sie stand auf.
»Lady Levarda«, hielt Lady Eluis sie noch auf, »ich freue mich sehr, dass Ihr Eure Cousine begleitet.«
Nächte
D er restliche Abend verging für Levarda wie im Flug. Egris stellte ihr seine Frau vor, deren Bauchwölbung verriet, dass sie bald ein Kind erwartete. Außerdem lernte sie zwei weitere Offiziere und deren Ehefrauen kennen: Wilbor mit dem Zeichen
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