Licht und Dunkelheit
wandten ihre Aufmerksamkeit der Zeremonie zu, die wie eingefroren wirkte. Die Augen der versammelten Menge ruhten auf ihnen, was Levarda die Röte ins Gesicht trieb. Lady Eluis winkte nur locker mit der Hand in die Menge.
»Ihr könnt fortfahren, das Essen wartet auf uns.«
Während der Schwarzgewandete weitermachte, sah Levarda aus den Augenwinkeln Egris grinsen, während Sendad, Timbor und Lemar dreinschauten, als hätten sie in eine Zitrone gebissen. Lord Otis‘ Gesicht glich einer steinernen Maske.
Der Festsaal war in mehrere Bereiche unterteilt. Den meisten Platz nahm die Tafel ein, die sich am Ende des Raumes befand. Dort saßen der hohe Lord, Lady Smira, Lord Otis, Lord Hector und seine Frau, wie Levarda von Lady Eluis erfahren hatte. Auf jeder Seite saßen acht weitere Lords und Ladys, die den inneren Zirkel des Rates des hohen Lords formten. Lord Otis saß neben Lady Smira, seine andere Seite war frei.
Es gab mehrere Sitzgelegenheiten an kleineren Tischen, die lose am Rand aufgestellt waren. Die innere Fläche des Raumes blieb frei für einen guten Blick auf die Würdenträger. Auf einem Balkon spielten Musiker Weisen, die das Gemurmel im Saal leise untermalten.
Die Türen waren zu einem Garten hin geöffnet. Das strahlende Frühlingswetter lockte nach draußen. Auch hier gab es verschiedene Sitzgelegenheiten, zumeist in größeren Gruppen. Der Garten, licht und offen gehalten, mit Kieswegen, Blumenbeeten, Brunnen und einem Teich, lud zum Lustwandeln ein. Das Gelände war von einer hohen Mauer umgeben, auf der bewaffnete Männer der Garde standen.
Im Festsaal gab es etwas abseits einen kleineren Raum mit bequemen Sesseln und Sofas. In diesen Bereich hatten sich ältere Gäste zurückgezogen. Hier saß auch Lady Eluis in einem hohen Sessel, ihre Füße auf einen Hocker gelegt. Sie hatte für einen Stuhl neben ihrem kleinen Thron gesorgt, auf dem Levarda saß.
Lady Eluis wurde von allen mit ausgesuchter Höflichkeit und Respekt angesprochen, wohingegen sie selbst sich mit entwaffnender Offenheit äußerte.
Levarda bekam von ihr jeden einzelnen Gast vorgestellt und bald schwirrte ihr der Kopf von all den Namen. Dabei merkte sie, was für einen Vorteil es darstellte, dass sich Lady Eluis ihrer angenommen hatte. Nicht nur schien sie jeden zu kennen, sondern die anderen Herrschaften begegneten Levarda mit derselben Höflichkeit wie der älteren Dame.
Lady Eluis hatte Levarda hoffähig gemacht und ihr jede weitere peinliche Präsentation erspart, die ihr in Gesellschaft von Lady Smira ohne Zweifel zuteilgeworden wäre. Der Gedanke, dass der freie Platz neben Lord Otis ihr bestimmt gewesen war, erzeugte ein mulmiges Gefühl in ihrem Magen.
Wie gut auch, dass sich nur wenige Leute in dem Raum aufhielten, da die meisten der Hauptattraktion beiwohnten, der Hochzeitsfeier des Herrscherpaars.
Diener servierten Speisen und Getränke. Die Ecke lichtete sich dennoch zusehends, als der Zeremonienmeister seinen Stab erklingen ließ.
»Legt Ihr Wert auf das Brimborium wegen des ersten Tanzes des Brautpaars?«
Levarda schüttelte den Kopf. »Nein, nein, darauf kann ich gut verzichten.«
»Und wie steht es mit dem Tanzen?«
»Darauf kann ich erst recht verzichten, der Ablauf der komplizierten Figuren verwirrt mich nur.«
Der Raum hatte sich inzwischen bis auf ein paar ältere Menschen geleert, die sich in die Ecken zurückgezogen hatten. Levarda war mit Lady Eluis allein.
Seit ihrem Gespräch in der Sirkadel überlegte sie, was sie Lady Eluis erzählen sollte. Das Wissen der Menschen in Forran, was die Kräfte der Elemente betraf, der Heilkunst oder dessen, was die Erde für wahre Reichtümer bot, die mit Edelsteinen und Gold nichts zu tun hatten, schien ihr begrenzt. Wie sollte sie einer Frau, die am Hof des hohen Lords die Stellung als erste Hofdame innehatte, erklären, welche Wunder im Wasser existierten oder welche die Erde hervorbrachte? Dass die Menschen nur ein Teil des Ganzen waren, der Einzelne nicht mehr als ein Staubkorn, und dass dennoch in dem Staubkorn die Macht lag, Tod und Verderben zu bringen?
Das waren weitreichende, komplizierte Zusammenhänge, doch Levarda wollte der alten Dame ihre Dankbarkeit wenigstens zeigen, indem sie deren Neugier befriedigte. Lady Eluis sah sie erwartungsvoll an.
»Lady Tibana kam zu uns, als der hohe Lord Lady Smira zur Gemahlin wählte«, begann sie.
Lady Eluis‘ Lächeln erreichte ihre Augen nicht. »Interessante Formulierung, die Ihr da
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