Licht und Dunkelheit
Ausschnitte, so tief, dass Levarda verschämt wegsah. Sie fragte sich sowieso ernsthaft, wie die Mädchen in dermaßen eng geschnittenen Kleidern atmen konnten, ohne diese damit unweigerlich zum Platzen zu bringen.
Sie hatte sich gleich an einen Viehmarkt erinnert gefühlt, den sie einmal mit ihrem Meister besuchte hatte, und wo die Händler ihre Tiere auf ähnliche Weise herausgeputzt hatten.
Eine Weile blieb Celina bei ihr, bis Egris kam, um sie nach Hause zu bringen. Feindselige Blicke musterten Levarda, das Lächeln in den Gesichtern der Hofdamen verschwand, außer bei Serafina, als sie allein mit den Frauen zurückblieb.
»Ich habe gehört, Euer Kleid sei ein Geschenk von Lord Otis«, schoss Hamada den ersten spitzen Pfeil ab.
Levarda sah an ihrem Kleid herunter und erinnerte sich an Lemars Worte.
»Um ehrlich zu sein, wusste ich nichts davon«, gab sie zu. »Meine Zofe hat mir heute Morgen das Kleid herausgesucht. Und da sie über den besseren Geschmack von uns beiden verfügt, vertraute ich ihrem Urteil.«
Ihre Blicke sprachen Bände, aber offensichtlich war die Neugier der Hofdamen damit nicht befriedigt.
»Lord Otis hat Euch heute noch gar nicht zum Tanz aufgefordert«, bemerkte Ilana.
»Ich bin keine geschickte Tänzerin, und Lord Otis konnte das bereits am Hof des Lord Blourred feststellen.«
»Aber er scheint Gefallen an Euch gefunden zu haben, sonst hätte er Euch das Kleid nicht machen lassen«, wandte Galina ein. Alle sahen sie an und Levarda kam sich klein und hässlich vor.
»Er sorgte für einen unglaublichen Aufstand bei der Schneiderei. Sie mussten die Nächte durcharbeiten.«
Erstaunt hob Levarda ihre Augenbrauen, sah nochmals an dem Kleid herunter. Die oberste Schicht bestand aus Streifen grünen und braunen Stoffes, das Oberteil war komplett grün gehalten, während die Ärmel wiederum aus braunem Stoff bestanden. Bisher war ihr das Material unter all den unteren Schichten des Kleides nicht weiter ins Auge gefallen. Neugierig streckte sie ihre Sinne nach ihm aus, und der Stoff reagierte mit einem sanften Schimmer.
Ein wohliger Schauer breitete sich in ihr aus, als sie verstand. Der oberste Stoff kam aus Mintra – wie hatte er das in der kurzen Zeit zustande gebracht? Woher stammte der Stoff? Sie runzelte die Stirn. Was steckte hinter dieser scheinbar netten Geste? Er machte nie etwas ohne Grund.
Sie spürte die durchdringenden Blicke der Hofdamen. Ihre Aufgabe wog schwer genug. Sie brauchte keine weiteren Feinde.
»Ich denke, sein schlechtes Gewissen hat ihn dazu bewogen, mir das Kleid zu schenken. Es gab auf unserer Reise einen Überfall, dem mein gesamtes Hab und Gut zum Opfer fiel.«
Sie sah, dass diese Erklärung den Hofdamen vernünftig erschien, nach einer letzten Musterung ihres Aussehens. Zu Levardas Erleichterung begann in diesem Moment eine neue Tanzrunde, und das Interesse der Frauen wurde abrupt von ihr abgelenkt. Es richtete sich auf die adligen Männer, die kamen, um die Damen zum Tanzen aufzufordern.
Levarda drückte sich dezent in den Hintergrund.
Vor allem Dajana schien eine äußerst beliebte Tanzpartnerin zu sein. Serafina hingegen versteckte sich fast so wie Levarda.
»Seid Ihr bei dem Überfall verletzt worden?«, fragte sie leise.
»Nein«, antwortete Levarda, »es handelte sich nur um gewöhnliche Räuber, und die Soldaten wurden ihrer schnell Herr.«
»Hattet Ihr große Angst?«
»Angst? Nein.«
Ein bewundernder Blick traf sie. Fehler, schalt sich Levarda, der zweite an diesem Abend! Natürlich hatte eine Frau Angst, musste Angst haben, aber Serafina ließ ihr nicht viel Zeit zum Grübeln und sagte: »Ich hätte schreckliche Angst gehabt!«
Levarda ergriff die gebotene Ausflucht: »Oh, ich bin nicht besonders mutig, wenn Ihr das denkt, aber wer hat Angst, wenn einen die Garde des hohen Lords beschützt?«
Der Ausdruck in Serafinas Augen wandelte sich, wurde schwärmerisch. »Oh ja, die Männer aus der Garde sind so unglaublich geschickte Kämpfer. Kennt Ihr Timbor?«
Oho!, dachte Levarda, sagte aber nur sachlich: »Ja, er gehörte zu den Offizieren, die uns begleiteten.«
»Er ist erst seit diesem Jahr Offizier und der jüngste Offizier in der Garde, den es je gab.« Stolz schwang in ihrer Stimme mit, als wäre alles ihr Verdienst.
»Ihr seid in ihn verliebt!«
Serafinas Gesicht verfärbte sich tiefrot. »Verratet es bloß nicht Hamada, sonst macht sie sich über mich lustig. Sie ist meine Schwester, müsst Ihr wissen.« Ihr Blick wurde
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