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Licht und Dunkelheit

Licht und Dunkelheit

Titel: Licht und Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Rachfahl
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einem Raum, halb so groß wie das Gemach von Lord Otis auf Burg Ikatuk. An der einen Seite stand ein ausladendes Bett, an der Wand gab es einen Schrank, vor dem bereits Levardas leere Kisten standen. Ihr Nachthemd lag auf dem Bett. Auf der anderen Seite befand sich ein Tisch mit einer Waschschüssel, daneben eine niedrige Kommode mit einem Spiegel, vor dem ein Stuhl stand. Ein weiterer Gegenstand im Raum lenkte Levardas Interesse besonders auf sich. Sie trat zu dem Schreibtisch, auf dem Schreibpapier mit einem runden Stein beschwert war. Es gab eine Feder, Tinte und ein Buch – das Buch, welches sie in der Bibliothek von Lord Otis entdeckt und schweren Herzens zurückgelassen hatte: ‚Übersicht der Heilkräuter‘. Sie nahm es in die Hand.
    »Er dachte, Ihr könntet es vielleicht gebrauchen, und bat mich, es mit einzupacken.«
    »Das war sehr zuvorkommend von ihm. Von dir war es aber nicht besonders zuvorkommend, mir vorzuenthalten, dass das Kleid, das ich anhabe, ebenfalls ein Geschenk von ihm ist.«
    Adrijana sah zu Boden. »Er wollte nicht, dass ich es Euch sage.«
    »Ja, nur, dass es der ganze Hof wusste und er damit wilde Spekulationen über mich in Gang gesetzt hat. Es wäre mir lieber gewesen, wenn ich es gewusst hätte.«
    »Ihr solltet ihm mehr vertrauen. Er hatte bestimmt seine Gründe, schließlich hat es mit Lady Eluis auch wunderbar geklappt. Ich habe gehört, dass sie Euch bereits in ihr Herz geschlossen hat.«
    »Erzählst du ihm eigentlich alles?«
    »Nur, was er wissen möchte«, erwiderte Adrijana freimütig. »Aus diesem Grund bin ich hier«, fügte sie ernst hinzu.
    »Ja, ich weiß. Dieses Zimmer besitzt einen etwas ungewöhnlichen Eingang.«
    Adrijana kicherte. »Ja, darüber wurde bereits in der ganzen Dienerschaft getratscht.«
    Alarmiert sah Levarda die Dienstmagd an.
    Adrijanas Lächeln verschwand. Ihre Pupillen weiteten sich. »Versprecht Ihr mir, dass Ihr nicht böse werdet?«
    Sie nickte ergeben.
    »In das Turmzimmer kommen die Zofen der hohen Gemahlin, wenn klar ist, dass diese keine Kinder gebären wird. Über uns sind die Zimmer für die hohe Gemahlin selbst. Unten befinden sich die Räumlichkeiten für die Soldaten, deren Aufgabe es ist, sie alle zu bewachen. Gleich rechts neben der Tür zum Aufgang in den Turm.«
    Levarda betrachtete ihre Umgebung aus einem anderen Blickwinkel. »Also dies ist der Raum der letzten Tage vor dem Tod. Ein Gefängnis – nur hübsch verpackt.«
    »Ihr seid doch böse.«
    »Nein. Ich hätte wissen müssen, dass er mir nicht traut.«
    »Er ist vorsichtig. Wäre er es nicht, so hätte er nicht siebenunddreißig Anschläge auf den hohen Lord verhindert.«
    »Siebenunddreißig?«, echote Levarda erstaunt.
    »Ja, sechsundzwanzig davon in den letzten vier Jahren! Ich frage mich, wie lange er das noch durchhält. Bei dem dreißigsten kam Krimbald ums Leben, der Offizier, der vor Timbor das Abzeichen der Schlange trug. Ihr solltet also nicht so hart mit Eurem Urteil sein. Seht Euch um, er hat versucht, es so komfortabel wie möglich für Euch zu gestalten.«
    Levarda schwieg. Sie wusste, dass Adrijana Lord Otis gegenüber absolut loyal war und nicht erkannte, wie grausam er sein konnte. Sie ließ sich von ihr aus dem Kleid helfen, wusch sich, setzte sich an den Spiegel und betrachtete ihr Gesicht.
    Adrijana begann, ihre Zöpfe aufzuflechten. Mit langsamem, gleichmäßigem Bürstenstrich kämmte sie Levardas Haar. Levarda schloss die Augen, gab sich dem Genuss der Kopfhautmassage hin. Zuletzt flocht ihr Adrijana einen Zopf für die Nacht.
    Mit einem Mal drang Lärm von unten herauf. Sie hörten Stimmen von Männern, konnten aber keine Worte verstehen.
    »Der hohe Lord kommt mit Lady Smira«, flüsterte Adrijana. Levarda trat an das Fenster. Es besaß ein breites Sims, das ebenso wie beide Rahmen mit einem Kissen ausgekleidet war. Erstaunt betrachtete sie die ungewöhnliche, bequeme Sitzgelegenheit.
    »Lord Otis dachte, so wäre es gemütlicher für Euch, da Ihr so oft auf dem Fenstersims in seinem Raum gesessen habt.«
    »Adrijana, können wir uns darauf einigen, dass du nicht ständig Lobeshymnen auf Lord Otis anstimmst, und ich verspreche dafür, dass ich in deiner Gegenwart nicht über ihn schimpfe?«
    »Das wird mir schwerfallen«, gab das Mädchen zu.
    »Ich weiß«, seufzte Levarda und schwang sich auf das Fenstersims. Der Platz war so gemütlich, wie er ausgesehen hatte. Von ihrem Turmzimmer aus konnte sie das gesamte Quadrat des Gebäudes erkennen, das

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