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Licht vom anderen Ufer

Licht vom anderen Ufer

Titel: Licht vom anderen Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Ernst
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scheuen Zärtlichkeit bis in den letzten Winkel ihres Herzens hinein. Sie wich seinem Mund nicht aus und wollte gerade ihre Hände um sein Gesicht legen, als sie zu Tode erschrocken zusammenfuhr.
    Vor der Hütte war ein Schritt zu hören gewesen.
    »Sei ganz still«, flüsterte sie in sein Ohr. Dann drängte sie ihn in den hintersten Winkel, wo es zum Heuboden hinaufging.
    Da klopfte es auch schon an die Tür.
    Annas Atem war auf einmal so eng, dass sie gar nicht fragen konnte, wer draußen sei. In diesem Augenblick wusste sie, dass sie sich mit aller Gewalt wehren würde, ginge es jetzt um Oliver. Sie hatte zwar keine Waffe und bedauerte es, die Pistole weggeworfen zu haben.
    »Mach doch auf«, kam von draußen eine Stimme, und Anna atmete wie erlöst auf, als sie die Stimme der Burgl erkannte. Klirrend flog der hölzerne Querbalken zurück.
    Durch Nacht und Regen war die Alte gekommen. Sie warf die schwere, vom Regen durchtränkte Lodendecke ab. Anna wollte sie zum Trocknen an den Herd hängen. Aber die Burgl wehrte ab.
    »Nein, lass nur. Ich muss gleich wieder gehen. Was macht denn unser Amerikaner?«
    In diesem Augenblick trat Oliver aus dem Schatten heraus. Der Anblick der Alten machte ihn etwas unsicher und die Burgl merkte das sogleich. Sie kicherte:
    »Mir scheint, der ist schon wieder ganz gut auf den Füßen. Gott sei Dank. Der Weg bis zu mir ist nämlich kein Spaziergang bei dem Regen.« Sie wurde plötzlich ernst. »Anna, lass dir was sagen. Es ist am besten, er geht mit mir in meine Hütte, für ein paar Tage wenigstens. Heut waren sie bei mir und haben alles durchsucht. Den letzten Winkel haben sie durchstöbert. Keine Katze hätte ich verstecken können, dass die sie nicht gefunden hätten. Morgen früh sind sie bei dir. Ich hab zufällig bei einem die Liste gesehen, was morgen alles zur Durchsuchung an die Reihe kommt.«
    Ratlos blickte Anna von der Burgl zu Oliver und von Oliver wieder zur Burgl.
    »Ich hätte aber oben auf dem Heuboden ein gutes Versteck für ihn hergerichtet«, sagte sie unschlüssig. Der Gedanke, sich jetzt von ihm trennen zu müssen, wollte einfach nicht in ihren Sinn.
    Dazu konnte die Alte wieder nur lachen. »Die finden
    alles, verlass dich drauf. Nein, nein, er soll nur mit mir kommen. Oder willst du haben, dass sie ihn finden?«
    »Nein«, sagte Anna laut und fast zu schnell. Dann wandte sie sich an Oliver. »Du hast gehört, worum es geht, Oliver.«
    »Versteht er unsere Sprache?«, wunderte sich die Burgl.
    Oliver stand mit seitlich geneigtem Kopf, misstrauisch bis in die Seele hinein. »Ich gehe in keine Falle«, sagte er störrisch.
    Mit ein paar Schritten war Anna bei ihm. »Traust du mir das zu, Oliver?«
    Er sah sie lange an. Dann schüttelte er den Kopf. »Nein, Engel. Entschuldige mein Misstrauen. Aber – ich sehe dich doch wieder?«
    »Natürlich sehen wir uns wieder«, antwortete Anna und erklärte ihm weiter: »Wenn wir diese Frau nicht gehabt hätten, Oliver, stünde es vielleicht sehr schlecht um dich. Du kannst dich ihr ruhig anvertrauen.«
    Da er nun endlich begriff, dass alles nur wegen seiner Sicherheit geschah, fügte er sich und schlüpfte in seinen Fliegeranzug. Die beiden Frauen halfen ihm dabei, denn der linke Arm schmerzte ihn noch bei jeder Bewegung.
    Dann reichte er Anna die Hand. »Auf Wiedersehen, Engel.«
    Die Burgl schlang ihre Lodendecke wieder um die mageren Schultern. Plötzlich fiel ihm der Fallschirm ein.
    »Es ist am besten, Anna, du verbrennst ihn.«
    »Ja, ich verbrenne ihn heute noch«, antwortete Anna, dann begleitete sie die beiden hinaus.
    Die Nacht war rabenschwarz und es regnete immer noch. Die Burgl musste den Mann bei der Hand nehmen, damit er nicht stolperte auf dem steinigen Weg, der den Hang hinaufführte.
    Anna stand noch eine ganze Weile in der Finsternis. Regen tropfte in ihr Haar und rann in ihren Nacken. Aber sie war ganz unempfindlich gegen alles, nur dieser Oliver Pratt lebte in ihren Gedanken und ihr war, als müsse sie ihn zurückrufen aus der Nacht, weil ihr das Alleinsein plötzlich vorkam wie eine endlose Wüste, in der sie verdurstet.
    Der Wind jaulte durch die Nacht und ließ die Blechtafel am Fuß des Gekreuzigten scheppern, auf der geschrieben stand: »Herr und Heiland, sei meiner Seele gnädig.«
    Wahrscheinlich hatten sich ein paar Nägel gelockert und Anna sagte sich, dass sie das morgen mit Hammer und Nägeln in Ordnung bringen müsse. Dann ging sie zurück in die Hütte. Mitten auf dem Tisch lag immer noch

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