Lichterspiele
war Samstag, und Robert hatte flach auf dem Bett gelegen und geschlafen. Er sah auf seine Uhr. Es war fünf vor drei; er nahm sich eine Zigarette, zündete sie an und blieb liegen, beobachtete den blei ernen Wolkenhimmel, der am Fenster vorbeifegte, und wartete auf das Klingeln des Telefons.
Es klingelte um Punkt drei Uhr. Er nahm den Hörer ab.
„Drei Uhr, Sir“, sagte der Portier.
„Vielen Dank.“
„Sind Sie auch ganz bestimmt wach, Sir?“
„Ja, ich bin wach.“
Er drückte die Zigarette aus, stand auf, zog seinen weißen Frot teemantel an und ging ins Bad, um eine heiße Dusche zu nehmen. Er haßte es, nachmittags zu schlafen, haßte es, mit dem Gefühl aufzu wachen, daß seine Zähne schmerzten und ihn gleich rasende Kopf schmerzen befallen würden, aber nachdem er die ganze Nacht von London durchgefahren war, war es ihm unmöglich gewesen, wach zu bleiben. Er hatte früh zu Mittag gegessen und dem Portier gesagt, daß er geweckt werden wolle. Aber der Wind, der aufgekommen war, während er schlief, hatte ihn vorzeitig geweckt.
Er zog ein frisches Hemd an, band seine Krawatte, griff nach seiner Anzugjacke, überlegte es sich dann anders und zog statt dessen einen Rollkragenpullover an. Er kämmte sich, schob seine Hab seligkeiten vom Toilettentisch in die Hosentaschen, nahm seinen Regenmantel von der Tür und ging nach unten.
Über der Hotelhalle lastete nachmittägliche Stille. Ältere Gäste dösten leise schnarchend in der trockenen Heizungsluft. Ent täuschte Golfer beobachteten den Regen, klimperten mit dem Kleingeld in den Taschen ihrer Tweedknickerbocker, gespannt, ob es sich aufklären und noch Zeit für neun Löcher bleiben würde, bevor es dunkelte.
Der Portier nahm Roberts Schlüssel und hängte ihn auf.
„Sie gehen aus, Sir?“
„Ja, und vielleicht können Sie mir helfen. Ich möchte zur Galerie des Künstlervereins. Ich glaube, es ist eine alte umgebaute Kapelle. Haben Sie eine Ahnung, wo das ist?“
„Das ist in der Altstadt. Kennen Sie den Weg?“
„Ich kenne das Sliding Tackle“, sagte Robert, und der Portier grinste. Ihm gefielen Männer, denen Kneipen als Orientierungs punkte dienten.
„Gut... dann nehmen Sie den Weg zum Sliding Tackle, aber bie gen Sie eine Straße vorher ab, aufwärts, weg vom Hafen. Eine schmale Gasse, sehr steil, am Ende ist ein Platz. Die Galerie ist auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes. Sie können sie nicht ver fehlen. Draußen hängen große Plakate... aus denen wird allerdings kein normaler Mensch schlau.“
„Nun, das wird sich zeigen. Haben Sie vielen Dank.“
„Keine Ursache.“ Der Portier bediente die Drehtür, und Robert wurde in die eisige Kälte hinausgeschoben. Regen prasselte auf sei nen ungeschützten Kopf, er schlug den Mantelkragen hoch und lief über den Kies, bemüht, den schlimmsten Pfützen auszuweichen.
Das Innere seines Wagens roch feucht und muffig, ein fremder Geruch neben dem gewohnten nach Leder und Zigaretten. Er ließ den Motor an, und die Heizung begann zu summen. Ein Blatt klemmte im Scheibenwischer; als er einschaltete, wurde es vom Wind davon gewirbelt.
Er fuhr in die Stadt, die ausgestorben wirkte; die Bewohner sahen sich vom Wetter in eine Art Belagerungszustand versetzt. Nur ein triefender Polizist patrouillierte am Fuß des Hügels, und eine alte Dame kämpfte mit einem Regenschirm. Der Wind fuhr heulend durch die engen Straßen, kalt und wild wie ein Wasserfall, und als Robert zum Hafen kam, sah er, daß Flut war. Im Hafenbecken schwappte das Wasser grau und kabbelig, bedeckt mit weißgekrön ten Wellen.
Er fand die Straße, die der Portier beschrieben hatte. Sie stieg zwi schen dichten Häuserzeilen an, die Kopfsteine naß und glänzend wie die Schuppen eines frischgefangenen Fisches. Sie erklomm den Hügel und öffnete sich auf einen malerischen Platz. Dort stand tat sächlich die alte Kapelle, ein solides, düsteres Gebäude, ein krasser Gegensatz zu dem Plakat an der Tür.
KÜNSTLERVEREIN PORTHKERRIS
FRÜHJAHRSAUSSTELLUNG
EINTRITT 25 p
Darunter prangte ein merkwürdiges Motiv in Lila - ein stilisiertes starr blickendes Auge, eine sechsfingrige Hand; Robert konnte die Ansicht des Portiers verstehen.
Er parkte den Wagen, ging die nassen Stufen hinauf, trat durch die Tür und nahm als erstes den Geruch eines Ölofens wahr. Er sah, daß die alte Kapelle gekalkt worden war; die Wände stiegen zu hohen, uneinsehbaren Fenstern auf und waren mit Bildern aller Art und Größen
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