Lichterspiele
hübsches Mädchen. Ihre blonden Haare waren glatt und dicht, modisch geschnitten, hinten kürzer und vorn etwas länger. Sie hatte grüne Augen, eine Stupsnase, ihr Mund war hübsch, aber streng. Ihre gescheiterte Ehe hatte einige Narben hinterlassen, und sie war durchaus nicht immer ein toleranter Mensch, aber sie war von einer Geradlinigkeit, die er so erfrischend fand wie ein Glas kaltes Wasser, und sie sah immer hinreißend aus.
Jetzt sagte er: „Ich bin extra hergekommen, um nicht über Ge schäftliches zu reden. Wie sind wir denn überhaupt auf Ben Litton g ekommen?“
„Ich habe damit angefangen. Ich war neugierig. Immer, wenn ich Helen sah, hat sie irgendwelche vagen Andeutungen gemacht und sich geweigert, mehr zu sagen, es war zum Verrücktwerden. Sie macht sich über die Geschichte ziemliche Gedanken, nicht?“
„Nur weil Ben Litton den armen Marcus früher mal total auf gerieben hat.“
„Kennt sie Emma?“
„Sie hat sie nicht mehr gesehen, seit sie vor sechs Jahren in die Schweiz ging.“
Jane seufzte. „Es ist schwer, gegen Menschen gerecht zu sein, die man kaum kennt.“
„Manchmal ist es auch schwer, wenn man sie kennt. Und jetzt...“ Er beugte sich vor, um seine Zigarette auszudrücken. „Lassen wir das Thema fallen und erwähnen es nicht wieder. Hast du heute abend schon was vor?“
„Nein, nichts.“
„Wollen wir irgendwohin gehen, wo es einen Dachgarten oder eine Terrasse gibt, und geruhsam zusammen essen?“
Jane lächelte. „Gern.“
„Ich ruf Helen an und sage, daß ich nicht komme...“
„Und ich...“ Sie stand auf. „Ich geh duschen und mich umzie hen. Es dauert nicht lange.“
„Nur keine Hektik.“
„Mach's dir gemütlich... mach dir noch was zu trinken. Hier sind Zigaretten, und irgendwo muß eine Abendzeitung rumliegen, falls es dir nichts ausmacht, sie zu suchen...“
Sie ging die Treppe hinauf. Er hörte sie herumgehen, die hohen Absätze klapperten auf dem gebohnerten Fußboden. Sie sang vor sich hin, die Melodie klang ein wenig falsch. Er stellte sein Glas ab, ging ins Wohnzimmer, machte ihr Telefon schließlich unter einem Stapel geblümter Chintzstoffe ausfindig und rief Helen an, um ihr zu sagen, daß er zum Essen nicht zu Hause sein würde. Dann schenkte er sich den dritten Whisky des Abends ein, lockerte seine Krawatte und ließ sich wieder aufs Sofa plumpsen.
Die reine, kalte Schärfe des Whiskys hatte seine Feierabendmüdig keit nach einem anstrengenden Tag in angenehme Mattigkeit verwandelt. Die Zeitung schaute unter einem Kissen hervor, er zog sie heraus, und dann sah er, daß es nicht der Evening Standard war, sondern die Theaterzeitung The Stage.
„Jane?“
„Ja?“
„Ich wußte gar nicht, daß du The Stage abonniert hast.“
„Hab ich auch nicht.“
„Sie ist aber hier.“
„So?“Sie klang nichts besonders interessiert. „Die muß Dinah Burnett liegengelassen haben. Die Schauspielerin, die den Bulldozer braucht.“
Er schlug die Zeitung aufs Geratewohl auf. Gesucht: Tänzerisches Naturtalent. Wieso Naturtalent? Gab es auch künstliches Talent? Keine Ahnung.
Er blätterte zur Programmseite um. In Birmingham lief Shakespeare, in Manchester eine Wiederaufführung und in Brookford die Premiere eines neuen Stückes...
Brookford.
Der Name sprang ihn an und traf ihn wie ein Geschoß. Brookford. Er setzte sich auf, glättete die Zeitung mit einem Strich und las den ganzen Artikel.
Die Sommerspielzeit des Repertoiretheaters von Brookford wird diese Woche mit der Welturaufführung von Daisies on the Grass eröffnet, einer Komödie in drei Akten von der dort beheimateten Autorin Phyllis Jason. Dieses leichte, aber durchaus geistreiche Stück zeigt die Schauspielerin Charmian Vaughan in der Hauptrolle der Stella. In den Nebenrollen tragen John Rigger, Sophie Lambart und Christopher Ferris dazu bei, die heitere Spannung zum Höhepunkt zu führen, und Sara Rutherford ist eine bezaubernd natürliche Braut. Tommy Childers' Inszenierung ist flott und fulminant, und das Bühnenbild des Künstlers Brian Dare veranlaßte das begeisterte Premierenpublikum zu spontanem Applaus.
Christopher Ferris.
Robert lege die Zeitung bedächtig hin, langte nach einer Zigarette und zündete sie an. Christopher Ferris. Er hatte Christopher ver gessen.
Wissen Sie etwas von Christopher? Wir sind uns nämlich ganz zufällig wiederbegegnet, Christopher und ich. Und er hat mich heute morgen nach Le Bourget begleitet.
Und er erinnerte sich - er hatte
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