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Lichterspiele

Lichterspiele

Titel: Lichterspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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auch nichts dagegen, ihm über den Weg zu laufen.“
    Der dritte Akt hatte dasselbe Bühnenbild, aber jetzt war es Nacht. Blaues Mondlicht schien durchs offene Fenster, und die Treppe her unter kam die kleine Braut, auf Zehenspitzen, einen Koffer in der Hand, bereit, wegzulaufen oder durchzubrennen oder was auch immer es war, wozu sie sich während der letzten Stunde entschlossen hatte. Robert wußte es nicht mehr. Er wartete, daß Christopher wieder auf die Bühne kam. Als er auftrat, beobachtete ihn Robert einfach die ganze Zeit, versunken und voll Bewunderung. Unterdessen hatte Christopher die Zuschauer - wenn es auch wenige wa ren - völlig in der Hand. Sie beobachteten ihn ebenso fasziniert wie Robert. Christopher kratzte sich am Kopf, und das Publikum lachte. Er setzte seine Brille ab, um das Mädchen zu küssen, und sie lachten abermals. Er setzte sie wieder auf, um für immer Lebewohl zu sagen, und die Leute kramten nach ihren Taschentüchern. Und als alles vorbei war und das Ensemble sich zum Schlußvorhang auf stellte, war der Beifall lang und ehrlich, und er galt ausschließlich Christopher.
    „Was machen wir jetzt?“ fragte Jane.
    „Polizeistunde ist erst in zehn Minuten. Gehen wir noch was trin ken.“
    Sie gingen wieder an die Bar. Der Barmann fragte: „Wie hat Ihnen das Stück gefallen, Sir?“
    „Ach, ich weiß nicht... Ich...“
    Jane war mutiger. „Wir fanden es fürchterlich“, sagte sie, aber sehr höflich. „Und ich habe mich in Christopher Ferris verliebt.“
    Der Barmann grinste. „Der ist Spitze, was? Schade, daß Sie heute abend kommen mußten, wo bloß so wenig Leute da waren. Mr. Childers hatte gehofft, weil Miss Jason doch von hier ist und der ganze Zinnober, daß dieses Stück die Leute reinlocken würde. Aber gegen so 'ne Hitzewelle kommt man eben nicht an.“
    „Haben Sie gewöhnlich ein volles Haus?“
    „Mal mehr, mal weniger. Unser letztes Stück war Present Laughter... da war das Haus ziemlich voll.“
    „Das ist ein gutes Stück“, sagte Robert.
    „Welche Rolle hat Christopher Ferris gespielt?“ fragte Jane.
    „Warten Sie, mal überlegen. Ach ja, ich weiß, er war der junge Stückeschreiber. Der immer zwischen den Stühlen rumspringt und Plätzchen ißt. Ronald Maule heißt er in dem Stück. Oh, Christo pher Ferris war sehr komisch in der Rolle. Hat großen Beifall ge erntet...“ Während er seine Gläser polierte, sah er auf die Wand uhr. „Ich muß Sie leider bitten auszutrinken, Sir, wir müssen schließen.“
    „Ja, natürlich. Sagen Sie, wie kommen wir hinter die Bühne? Wir möchten zu Emma Litton.“
    „Sie können durch den Zuschauerraum gehen, Sir, dann durch die Tür rechts von der Bühne. Aber nehmen Sie sich vor Mr. Collins in acht, dem Inspizienten. Er ist nicht besonders scharf auf Besucher.“
    „Danke“, sagte Robert. „Gute Nacht.“
    Sie gingen ins Theater zurück. Der Vorhang war aufgezogen, und die Bühne lag wieder frei, aber ohne Rampenlicht wirkte das Bühnenbild seelenloser denn je. Ein junger Mann mühte sich mit dem Sofa ab und versuchte es auf die Seite zu hieven, und irgendwo hatte irgend jemand eine Tür aufgelassen, so daß das ganze Theater von einem stickigen Zug verbrauchter Luft durchweht war. Die Pro gr ammverkäuferin ging herum, klopfte die leeren Sitze ab und sammelte leere Schokoladenpackungen und Zigarettenschachteln in einen Abfalleimer.
    „Nichts“, sagte Jane, „ist so deprimierend wie ein leeres Theater.“
    Sie gingen nach vorne zur Bühne. Beim Näherkommen erkannte Robert, daß es kein Junge war, der ganz allein mit dem schweren Sofa kämpfte, sondern ein Mädchen in einem alten blauen Pullover und Jeans.
    Als er nahe genug war, sagte er: „Verzeihung, können Sie mir wohl sagen, ob... ?“
    Sie drehte sich zu ihm um. Es war Emma Litton.

8
     
     
     
     
    N ach einer stummen Schreckse kunde ließ Emma die Sofalehne los und richtete sich auf. Sie kam ihm viel größer und schmaler vor, das kalte Bühnenlicht war aller dings auch nicht gerade schmeichelhaft. Unter den weiten Pull overärmeln wirkten ihre Handgelenke geradezu mager. Aber das Schlimmste waren ihre Haare. Sie hatte die Haare abgeschnitten, und ihr Kopf wirkte nun klein und verletzlich, ein bißchen struppig wie das Fell eines Tieres.
    Sie hatte auch etwas von der Wachsamkeit eines Tieres, einen furchtsamen Blick, als wartete sie, daß er den ersten Schritt tat, das erste Wort sprach, damit sie wußte, in welche Richtung sie springen sollte. Er

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