Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte
herumtrieben. Doch Jil hatte sich noch nie vor der Dunkelheit gefürchtet. Oft war sie nachts umhergezogen, und das ein oder andere Mal hatte sie dabei auch unangenehme Bekanntschaften gemacht.
Jil sah sich nach allen Seiten hin um. Das stete Rauschen des Wassers, das sich in seichten Wellen gegen die Felsen warf, war das einzige Geräusch, das diese laue Nacht erfüllte. Niemand außer ihr war hier. Geleitet von einer fixen Idee stieg sie zurück hinunter zum Ufer. Dort streifte sie sich ihre Hose ab, dann knöpfte sie das alte Leinenhemd auf und legte es zu ihren Stiefeln. Auch des Schlüpfers und des Unterhemdes entledigte sie sich, bis sie vollkommen nackt am Ufer stand. Unter dem Deckmantel der Nacht setzte sie einen Fuß vor den anderen, bis nur noch ihr Oberkörper aus dem Wasser ragte. Der Boden unter ihren Füßen fiel nur leicht ab, sodass sie sich bald weit draußen vor der Küste befand. Dann ließ sie sich vollständig ins Wasser sinken und schwamm ein paar Züge. Schon bald hatten sich ihre schweren Haare mit dem kühlen Nass vollgesogen. Das Mondlicht ließ ihre Haut absonderlich weiß erscheinen. Erst als Jil nach einigen Minuten den Rückweg antrat, fiel ihr ein, dass sie nichts bei sich hatte, womit sie sich hätte abtrocknen können. Ihre spontanen Einfälle hatten sie so manches Mal in unangenehme Situationen gebracht.
Jil näherte sich dem Ufer und watete zurück zu der Stelle, an der sie ihre Kleidung abgelegt hatte. Schon von weitem bemerkte sie, dass etwas nicht stimmte. Dann sah sie die dunkel gekleidete Gestalt, die genau neben ihren Habseligkeiten stand und sie zu beobachten schien. Jil fuhr der Schreck wie ein Messer in den Leib. Sofort begann ihr Herz zu rasen, doch nach einigen Augenblicken sinnloser Panik zwang sie sich, Ruhe zu bewahren. Sie ging in die Knie, bis nur noch ihr Kopf aus dem Wasser ragte. Sie hatte sich bis auf wenige Yards dem Fremden genähert, konnte dessen Gesicht jedoch noch immer nicht erkennen. Jil schlussfolgerte angesichts seiner Größe und Statur, dass es sich um einen ausgewachsenen Kerl handelte. Sekundenlang schwiegen sie sich an, bis der Typ schließlich aus seiner Starre erwachte. Er hob Jils Hemd auf, das zu seinen Füßen gelegen hatte und wedelte damit in der Luft herum.
»Suchst du das hier, meine Schöne?« Seine Art zu sprechen erinnerte Jil an ein Wiesel oder einen Fuchs, obwohl sie freilich niemals ein Tier hatte sprechen hören. Aber genau so stellte sie sich die Stimme des Fuchses in den zahlreichen Fabeln vor, die ihre Mutter ihr damals erzählt hatte.
»Entfernen Sie sich sofort von meinem Eigentum«, sagte Jil mit kalter Stimme. »Schämen Sie sich denn nicht?«
Der Mann stieß geräuschvoll die Luft durch die Zähne aus. »Schämst du dich denn nicht? In dieser gefährlichen Gegend badet man als Frau nicht nackt, und erst recht nicht nach Einbruch der Nacht.«
»Was ich tue oder nicht, geht Sie nichts an. Und jetzt verschwinden Sie.«
Jil schlang die Arme um ihren Oberkörper. Das Wasser entzog ihr stetig die Körperwärme, sie musste sich beherrschen, nicht mit den Zähnen zu klappern.
»Komm doch heraus und hole dir deine Sachen persönlich ab. Ich werde sie solange bewachen.«
Jil holte mit der Hand aus und spritze dem widerlichen Kerl einen Schwall Wasser entgegen, doch dieser gab sich unbeeindruckt. Dies war einer der seltenen Augenblicke, in denen Jil ehrliche Verzweiflung packte.
Eine kalte, boshafte Lache erklang. »Komm heraus, ich werde dir nichts tun.«
»Hallo, kann mir jemand helfen?« Jil rief aus voller Kehle, aber niemand antwortete ihr.
»Nun, meine Süße, du hast dir keinen guten Platz zum Baden ausgesucht. Hier ist niemand, der dir hilft.«
Allmählich nahm das Zittern zu, Jil spürte ihre Zehen nicht mehr. Ihr war so kalt, dass sie sich einer Ohnmacht nahe fühlte.
Es nutzte nichts. Wenn sie weiter auskühlte, war sie dem Rohling erst recht ausgeliefert. Wenn sie stattdessen jetzt herauskam, hatte sie vielleicht noch eine Chance, ihm davonzulaufen. Sie raffte all ihren Mut zusammen und ging auf das Ufer zu. Jetzt konnte sie das Gesicht des Mannes erkennen. Er war wahrlich keine Schönheit. Schulterlanges, fettiges Haar hing ihm wie ein Vorhang ins Gesicht. Seine schmalen Augen fixierten Jils Brüste, als sie auf ihn zukam. Jil bemühte sich nicht, ihre Blöße vor ihm zu verbergen, dadurch hätte sie ihm vermutlich noch mehr Freude bereitet. Obwohl ihre Beine nicht nur vor Kälte zitterten, zog sie sich ans
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