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Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte

Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte

Titel: Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kuehnemann Nadine
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ungeschickte junge Frau wohnte, die sich vor allen Leuten zum Gespött der Stadt gemacht hatte. Sie würde sich in nächster Zeit nicht mehr in die Nähe des Marktplatzes wagen. Dana spürte hunderte Augenpaare auf sich, selbst als sie längst in eine andere Straße eingebogen war, in der die Menschen nichts von ihrem Missgeschick mitbekommen hatten. Auf der anderen Straßenseite stand eine Gruppe Jugendlicher. Sie lachten und scherzten. Wieder schoss Dana ein Schwall heißen Bluts in den Kopf. Sicherlich lachten sie über sie. Dana schaffte es mit großer Mühe, die Tränen zurück zu drängen, tief durchzuatmen und ihre Schritte zu verlangsamen. Sie befand sich nun am Rande eines großen Platzes, in dessen Mitte eine imposante Reiterstatue thronte. Die Schienen mehrerer Straßenbahnlinien kreuzten sich hier. Die hohen grauen Gebäude mit den verzierten Giebeln starrten Dana aus hundert kleinen Fenstern an. Auf den Gehsteigen tummelten sich die unterschiedlichsten Menschen. Geschäftsmänner, Frauen, Kinder, Greise und sogar einige Männer der Stadtwache drängten sich aneinander vorbei, liefen kreuz und quer über die Straße, um dann in einem Geschäft oder einer anderen Gasse zu verschwinden. Niemand beachtete die junge Frau mit dem Pferdeschwanz, deren Gesicht rot und deren Kleidersaum mit klebrigem Honig getränkt war. Dana mochte keine Menschenansammlungen. Menschen neigten dazu, andere Menschen anzustarren und über sie zu lachen.
    Mit klopfendem Herz setzte Dana ihren Weg durch die Stadt fort. Auf ihrer panischen Flucht hatte Dana nicht den direkten Weg nach Garnick gewählt, jetzt würde sie die Konsequenzen tragen und durch das belebteste Viertel von Haven gehen müssen. Dana senkte den Kopf und starrte auf ihre Füße, die in abgetragenen Lederstiefeln steckten. Mehrmals rempelte sie jemand auf dem Bürgersteig an, doch niemand schimpfte oder tadelte sie. Alle Leute schienen es hier viel zu eilig zu haben, um mit solcherlei Dingen Zeit zu vertrödeln. Nach einer Weile begann Dana, die Anonymität in der Masse sogar zu genießen. Sie blieb vor einem Schaufenster stehen. Bücher und Hefte lagen dahinter auf einem mit rotem Samt ummantelten Tisch. Das britische Empire – damals und heute stand in goldenen Lettern auf einem besonders dicken Wälzer. Auch ein Buch mit einem hübschen grünen Einband zog Danas Aufmerksamkeit auf sich. Auf dem Titelbild prangte das Portrait eines Seefahrers. Die Abenteuer des Captain Sterly. Wehmütig stieß Dana einen Seufzer aus. Wofür hatte sie bloß die Schule besucht, wenn sie nichts mit ihrer Bildung anfangen konnte? Ihr größter Wunsch war es immer gewesen, zu studieren. Vielleicht hätte sie Ärztin werden können oder Lehrerin.
    Dana wandte sich ab. Es machte keinen Sinn, sich den Kopf über Dinge zu zerbrechen, die sich nicht ändern ließen. Stattdessen schluckte sie wieder einmal ihren Unmut hinunter und legte den Rest des Weges mit gesenktem Kopf zurück. Erst vor dem Tor zu ihrem Elternhaus hob sie den Blick und blieb stehen. Sie fasste nach der Klinke, verharrte jedoch in ihrer Bewegung. Im Hof plätscherte Wasser. Der Vater musste nach Hause zurückgekehrt sein. Sicherlich rechnete er nicht damit, dass Dana um diese Uhrzeit hier auftauchte. Plötzlich griff die Angst mit kalten Klauen nach ihr. Was würde sie ihm erzählen? Sie hatte sämtliche Kerzen und Honiggläser verloren, die noch für den Rest des Jahres hätten reichen müssen. Weshalb nur hatte sie den Wagen bloß so voll geladen? Die Hoffnung auf ein gutes Geschäft hatte sie zu dieser Dummheit verleitet. Was war sie bloß für eine nichtsnutzige Idiotin, die nichts richtig machen konnte? Dana schluckte. Noch immer hielt sie den Griff des Tors fest umklammert. Sie würde nicht ewig hier stehen bleiben können. Irgendwann musste sie die Wahrheit erzählen. Vielleicht konnte sie weglaufen? Jil hatte immer gesagt, es sei nicht unmöglich, sich als Frau alleine durchzubringen. Dana hatte sie immer für ihren Mut bewundert. Was hätte Jil an Danas Stelle jetzt getan? Sie wäre in den Hof gestapft, hätte ihrem Vater nüchtern die Nachricht überbracht und das Donnerwetter über sich ergehen lassen, ohne mit der Wimper zu zucken. Dana atmete tief ein. Sie musste es versuchen.
    Für Jil .
    Sie öffnete das Tor und betrat mit zittrigen Knien den Hof. Das Plätschern des Wassers war mittlerweile verstummt, vermutlich hatte der Vater sich gewaschen und war nun zurück ins Haus gegangen.
    Die Tür zur Stube war

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