Lichtfaenger 2 - Bruderkrieg
keine Befriedigung darin.
Ray nahm einen Kieselstein vom Ufer auf und schleuderte ihn weit aufs Meer hinaus. Er versank lautlos in den Fluten. Vielleicht täte Ray am besten daran, sich hinterher zu stürzen. Die Menschheit brauchte ihn nicht mehr. Niemand brauchte ihn. Sein Leben war überflüssig, selbst die Luft, die er atmete, war verschwendet.
Am Horizont stiegen Rauchschwaden zum Himmel auf und verdeckten den Blick auf die Sterne. Selbst Falcon’s Eye war von den Bränden nicht verschont geblieben. Diese Nacht wäre wunderschön gewesen, wenn es nicht nach Feuer und Tod gerochen hätte. Die aufständischen Sedharym hatten es in ihrer Feierlaune eindeutig zu weit getrieben. Vielleicht war es besser so, dass die Stadt lichterloh brannte und die Menschen scharenweise flüchteten. So blieb ihnen wenigstens eine Schreckensherrschaft der Sedharym erspart. Sollte doch die ganze Stadt zu Asche zerfallen. Sie würde sich ohnehin bald auflösen, jetzt, da der Obelisk zerstört war, der den Zauber aufrechterhielt. Immer mehr Häuser verschwanden im Nirgendwo, selbst die alte Ruine am Hafen war der Vernichtung schon anheim gefallen. Nichts als wildes raues Land würde von der Stadt übrig bleiben. Alles würde wieder so sein, als hätte hier niemals ein Mensch gesiedelt. Haven war seit jeher nichts als eine Lüge gewesen. Ein selbst erschaffenes Königreich der Sedharym, die sich daran ergötzten, ahnungslose Menschen zu unterjochen. Doch das würde jetzt hoffentlich ein Ende haben. Keiner der Überlebenden verfügte noch über ausreichende Magie, um jemals wieder ein solches Werk zu vollbringen. Den Sedharym blieb nun nichts anderes übrig, als sich unter das Volk zu mischen und ein Leben im Verborgenen zu führen. Vielleicht konnte Ray mit Nola und den anderen nach London gehen. Er hatte immer nach London gehen wollen. Selbst wenn es Jil und ihren dreckigen Parasitenfreunden gelingen sollte, das Licht zurückzubringen, würde es ihnen hoffentlich nicht die Macht verleihen, die man dem Artefakt der Sage nach zusprach. Jedenfalls wäre dann keiner seiner Artgenossen mehr auf Menschen- oder Tierenergie angewiesen, wenigstens ein kleiner Vorteil. Ray verzog das Gesicht zu einem bitteren Lächeln. Vielleicht war Jil ohnehin schon tot. Ertrunken wie die meisten Sedharym. Er würde nicht mehr nach ihr suchen.
Ray ließ den Blick über den Himmel schweifen. Im Osten graute der Morgen. Er würde bald zu den verbliebenen Ordensmitgliedern zurückgehen müssen. Ray seufzte und strich sich die Haare aus dem Gesicht. Sie waren beinahe getrocknet, ebenso wie seine Kleidung. Er sog die salzige Meerluft tief in seine Lungen. Zwei Yards unter ihm warf sich das Wasser gegen die felsige Küste. Ray liebte das Meer. Er wäre gern noch länger hier geblieben und hätte dem Rauschen der Brandung gelauscht, doch in einer Stunde würde das Sonnenlicht mit roher Gewalt an seinen ohnehin fast aufgebrauchten Energiereserven zerren. Er hatte sich auf dem Weg hierher an einem räudigen Straßenköter bedient. Ray fühlte sich noch immer dreckig und beschmutzt. Er hatte den Hund bei den Ohren gepackt und alles aus ihm heraus gesaugt, was sein kleiner Körper hergab. Es war nicht weiter schade um das Tier, es wäre ohnehin gestorben.
Ray seufzte und wollte sich gerade erheben, als er bohrende Blicke in seinem Nacken prickeln spürte. Er wandte den Kopf und blickte zu seiner Verwunderung direkt in die blauen Augen von Jil, deren Haare ebenfalls nass waren. Sie hingen offen bis auf ihre Hüfte hinab. Sein Herz machte einen Sprung, eine Mischung aus Überraschung, Wut aber auch Enttäuschung brandete durch ihn hindurch. Sie stand am Rand der Uferpromenade, in ein hässliches Kleid gekleidet und mit einem undeutbaren Ausdruck im Gesicht. Ray hatte beinahe vergessen, wie schön sie war. Selbst die abgeschürfte Haut an ihren Armen und Wangenknochen konnte ihre elfenbeingleiche Haut nicht verunstalten. Sie war wahrlich ein verräterisches Biest.
»Was machst du hier?«, stieß Ray hervor. Er machte sich nicht die Mühe, aufzustehen und ihr an die Kehle zu springen, obwohl er es gekonnt hätte.
»Ich suche meine Schwester. Und meinen besten Freund, aber seine Hütte ist verbrannt. Ich glaube, er ist tot. Viele andere Häuser sind einfach verschwunden«, sagte sie mit nüchterner Stimme. Sie besaß tatsächlich den Mut, einen Schritt näher zu kommen. Sie schien keine Angst vor ihm zu haben, obwohl sie allen Grund dazu gehabt hätte.
»Die Stadt löst
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