Lichtfaenger 2 - Bruderkrieg
sich auf«, sagte Ray. »Ich habe dir doch gesagt, dass alles hier eine Lüge ist. Jetzt ist es vorbei. Alles ist vorbei. Das hat man davon, wenn man nie genug bekommen kann.« Er wandte den Blick wieder aufs Meer hinaus. Er wollte nicht, dass Jil den Schmerz in seinen Augen sehen konnte. Es verletzte ihn noch immer, von ihr so betrogen worden zu sein.
Jil kam näher, jetzt trug der Wind den Geruch ihrer Haut zu ihm herüber. Wenn er den Arm ausgestreckt hätte, hätte er sie mit einem einzigen Griff packen und töten können. Er hätte dazu nicht einmal aufstehen müssen.
»Es bist mutig, dass du zu mir kommst«, sagte Ray. Er konnte die Verbitterung in seiner Stimme nicht verbergen. »Dabei hätte ich doch allen Grund, dir die Kehle aus dem Hals zu reißen.« Er spürte, wie Jil unmerklich ein paar Zoll zurückwich. Eine Weile schwiegen sie. Dann räusperte Jil.
»Ich verstehe, dass du wütend bist, weil ich das Sedhiassa genommen habe«, sagte sie.
Nun, zumindest wusste sie wohl, was sie angestellt hatte. Ray lächelte verbittert.
»Aber ich schwöre dir, dass ich es nicht mit Absicht getan habe«, fuhr sie fort.
Jetzt wandte ihr Ray doch den Kopf zu. Er warf ihr einen bitterbösen Blick zu. Wenn er nicht so erschöpft gewesen wäre, hätte er seine Aggressionen kaum bändigen können. »Du hast es nicht mit Absicht getan? Willst du mich verarschen?«, schrie er sie an. Jil hielt seinem Blick stand. »Das Sedhiassa war doch der Grund, weshalb du überhaupt nach Falcon’s Eye gekommen bist, nicht wahr?«
Jil kaute auf ihrer Unterlippe, als müsse sie sich eine Antwort zurechtlegen. Auch sie schien mitgenommen, für gewöhnlich war sie schlagfertiger und ihre Kommentare bissiger. »Ich hatte meine Meinung aber recht bald geändert, weil ich über deine und Nolas Worte nachgedacht habe«, sagte sie. Empörung blitzte kurzzeitig in ihren Augen auf. »Und hätte dieser arrogante Bastard mich nicht hinaus geworfen und mir einen Auftragsmörder hinterhergeschickt, wäre ich vermutlich nie zu den Sedharym zurückgekehrt. Ich…«
»Ich bin auch ein Sedhar!«, brüllte Ray. »Merk es dir doch endlich!« Er ballte die Hände zu Fäusten und knurrte. »Ich kann dieses dumme Geschwätz einfach nicht mehr hören. Wir sind alle vom selben Blut. Selbst du hast es in dir!«
Jil zog eine Augenbraue hoch, blieb ansonsten aber ungerührt. »Weshalb regst du dich deshalb so auf? Ich dachte, ihr vom Orden legt so großen Wert darauf, nicht mit den anderen verglichen zu werden.« Es war wirklich unglaublich, dass Jil sogar in dieser Situation noch die Nerven hatte, ihn zu provozieren. Er sah in ihr Gesicht, aber außer einer ehrlichen Frage konnte er nichts darin lesen. Ihre herausfordernde Art mit dem schnippischen Blick, den er nur allzu gut kannte, war einer aufrichtigen Ehrlichkeit gewichen. Leider zu spät.
Ray seufzte. » Ich habe nie wirklich wert darauf gelegt. Ich habe die Taten der anderen Sedharym verurteilt, aber deshalb habe ich mich selbst nicht als etwas Anderes gefühlt. Mich hat ohnehin nie jemand gefragt, ob ich Mitglied im Orden sein wollte. Ich wurde dort hinein geboren. Meine Mutter habe ich nie gekannt, von Anfang an haben sie mich dazu gedrillt, eine Kampfmaschine zu werden.« Ray lag ein bitterer Geschmack auf der Zunge.
»Bist du deshalb so verbittert? Dein größtes Problem ist doch dein Selbstmitleid.« Jil ließ sich neben Ray auf einem Stein nieder. Ray spürte Wut in sich aufsteigen, die altbekannte Raserei, die ihn in regelmäßigen Abständen überfiel und deren Entfesselung ein besonderes Talent von Jil zu sein schien. Ray schluckte seinen Ärger hinunter und ballte die Hände zu Fäusten. Er würde das bisschen Energie, das er noch in sich hatte, nicht an ihr verschwenden.
»Weshalb haben sie dich überhaupt gehen lassen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie alle tot sind«, sagte Ray. »Sie waren doch sicherlich erpicht darauf, dich als Mittler für den Zauber zu verwenden.« Ray ging geflissentlich über Jils letzten Kommentar hinweg. Er wollte nicht über sich und sein Leben sprechen, und schon gar nicht mit einer Verräterin. »Bis jetzt ist das Licht nicht in die Sonne zurückgekehrt. Zumindest merke ich recht wenig davon.« Ray wandte seinen Blick sorgenvoll nach Osten. Die zunehmende Helligkeit verschluckte bereits die ersten Sterne. Es wäre ein leichtes für ihn gewesen, Jil zu packen und ihre Energie aus ihr herauszuquetschen wie Wasser aus einem Schwamm. Kurzzeitig flackerte
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