Lichtgeboren - Sinclair, A: Lichtgeboren
Schwermut befallen sein und mich hinlegen?«
Ein kurzes, knappes Lächeln huschte über seine Lippen. »Wenn ich das nicht darf, dann dürfen Sie das ganz gewiss auch nicht.«
»Und was werden Sie den Leuten erzählen?«, forderte sie ihn heraus. » Wird mein Mann nach seiner Rückkehr noch einen Beruf und ein Renommee haben?«
»Nichts liegt mir ferner«, sagte er geradeheraus, »als meine Aktivitäten oder die meiner Agenten mit den Klatschbasen der Gesellschaft zu erörtern. Seien Sie versichert, die Männer, auf die es ankommt, werden von den Verdiensten Ihres Gatten erfahren.«
Und werden sie es auch zu schätzen wissen? , dachte Telmaine – aber sie konnte sich gerade noch davon abhalten, es laut auszusprechen. Oh, Bal, und das ist nun der Dank für deine Loyalität: gesellschaftlicher Ruin .
»Fürst Vladimer«, murmelte sie und ließ sich von ihm aus dem Raum geleiten, verbarg dabei ihre Sorgen und ihren Groll hinter einem erprobt geselligen Lächeln. Sie würde nicht zulassen, dass Bal geopfert wurde, nicht einmal für Sejanus Plantageter. Nie und nimmer.
Sylvide di Reuther – zugleich die erste und die letzte Person, mit der Telmaine sich jetzt unterhalten wollte – hatte die Lakaien dazu bewegt, einen Stuhl zu besorgen und ein zusätzliches Gedeck zu bringen. Ein Trost lag zumindest darin, dass ihr Tisch direkt an den des Erzherzogs grenzte und sie somit nah genug war, um zu sondieren, ohne aufzufallen. Telmaine brauchte keine Magie, um die angespannte Atmosphäre um sich herum zu spüren; Herzogin Calliope di Reuther war wirklich sehr aufgebracht, und Sylvide atmete schnell und flach, ihr herzförmiges Gesicht war verhärtet. Telmaine zog den Kopf ein und bedeutete einem der bereitstehenden Lakaien nickend ihre Zustimmung. Auch wenn sie keinen Bissen herunterbekam, bewahrte sie ein voller Teller womöglich davor, sich unterhalten zu müssen. Mit zitternder Hand griff sie zur Gabel.
Telmaine hätte nicht gedacht, dass sie etwas herunterbekommen würde – sie hatte vielmehr damit gerechnet, dass ihr allein schon der Geruch Übelkeit bereiten würde. Doch als ihr das erste Stück Speckkuchen auf den Teller gelegt wurde, stellte sie fest, dass sie ihren wenig damenhaften Heißhunger sogar zurückhalten musste. Der Duft der Inselkräuter rief die wehmütige Erinnerung an den gefangenen Ishmael wach, der ihr seinen Wunschtraum anvertraut hatte, sich auf die Inseln zurückzuziehen und Kräuter anzubauen.
»Telmaine«, sagte Sylvide neben ihr, »wie geht es Florilinde?«
Die Frage war so prekär wie jede andere. »Sie ist wieder bei uns«, sagte sie und legte ihre Gabel beiseite. »Wohlbehalten.«
Sylvide atmete aus. »Das ist wunderbar. Wie ich gehört habe, hält Baronet di Maurier sich weiterhin tapfer, und es wird ihm gewiss gut tun, wenn er davon erfährt, dass sie in Sicherheit ist.«
»Zu diesem Halunken wirst du keinen Kontakt mehr pflegen, Sylvide«, verfügte Herzogin di Reuther. »Ich war zutiefst empört, als ich hörte, dass du ihn sogar besucht hast – und Sie ebenfalls, Telmaine. Das hätte ich wirklich nicht von Ihnen gedacht.«
»Baronet di Maurier ist ein Held «, erwiderte Sylvide bissig.
»Baronet di Maurier ist eine Schande«, erklärte die Herzogin.
Sylvide beschränkte ihre Argumentation auf ein knappes Kopfschütteln. Die gutherzige Sylvide erinnerte sich an Gil di Maurier, ihren kleinen Cousin, noch aus Kindertagen. Für Telmaine hingegen war er sowohl ein Held als auch eine Schande, doch aufgrund seiner Erfahrungen mit der Unterwelt – die er gesammelt hatte, während er seinen zweifelhaften Amüsements nachging – war es ihm gelungen, Florilinde zu finden. Ihren heimlichen Versuch, ihn zu heilen, war sie ihm schuldig gewesen.
»Sind Sie sich darüber im Klaren, warum Ihre Tochter dermaßen zu leiden hatte?«, fragte Herzogin Calliope.
»Ja«, sagte Telmaine. »Mein Mann war nicht bereit, eine vertrauliche Information preiszugeben.«
»Telmaine, auch wenn Ihr Gatte es nicht ist, sollte Ihnen bewusst sein, dass Angehörige unseres Standes nicht Gegenstand einer solchen Berichterstattung sein dürfen.«
»Und die kleine Amerdale«, sagte Sylvide verzweifelt. »Wie geht es ihr?«
Telmaine bemühte sich sehr, nicht die Beherrschung zu verlieren, denn sie merkte, dass sie sich jeden Moment zu einem unklugen Ausbruch hinreißen lassen würde. »Sie zählt bereits die Tage bis zu ihrem sechsten Geburtstag«, sagte sie etwas zu schrill. »Wir haben ihr ein Kätzchen
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