Lichtgeboren - Sinclair, A: Lichtgeboren
einem kräftigen Ruck fest verschnürte.
»Nimm Platz«, sagte Lukfer.
Tam ließ sich in einen Sessel fallen, völlig entkräftet, nachdem er sich erneut diesem Pesthauch der Finsternis ausgesetzt hatte.
»Mir wurde ein Vertrag angeboten, vom Prinzen, um den Tod seines Vaters zu untersuchen«, sagte er. »Mistress Weiße Hand hat mir das Angebot persönlich überbracht. Der Vertrag wurde bisher weder ausgehandelt noch formell bestätigt – mit Fejelis, dem Prinzen, habe ich noch nicht gesprochen. Ich glaube, ansonsten weiß niemand davon. Zuerst habe ich mir Isidores Gemächer angesehen – ich wollte sie so schnell wie möglich untersuchen. Und das habe ich dort gefunden. Gleichzeitig waren auch andere Magier vor Ort, aber sie schienen es gar nicht wahrzunehmen. Ich wusste allerdings nicht, ob sie nur vorgaben, nichts zu spüren, jedenfalls, als ich es dann in der hohlen Hand verschwinden ließ« – eine Fähigkeit, die er bereits nach wenigen Monaten in der Stadt zur Perfektion gebracht hatte – »reagierte niemand darauf.«
Lukfer atmete hörbar aus. »Sorg dafür, dass es auch so bleibt. Und jetzt öffne bitte die Vorhänge.«
Diese Vorhänge waren nur selten in Gebrauch und dementsprechend schwergängig, so dass es eines magischen Rucks bedurfte, sie zur Seite gleiten zu lassen. Ein breiter Strahl goldenen Sonnenlichts fiel auf die aufgedunsene Gestalt in Lukfers Sessel. Unter seiner olivbraunen Haut war er aschfahl. Tam sprang auf. »Meister, was ist los? Was ist mit Ihnen?«
Lukfer winkte ab.
Tam setzte sich wieder hin, musterte ihn voller Sorge. »Das ist irgendeine Art Talisman, richtig? Könnte es sein, dass dieses Ding die Magie der Lampen ausgelöscht hat?«
»Sag du es mir.« Das klang schon wieder ganz nach seinem Lehrer.
Von plötzlicher Panik gepackt, schnappte Tam sich den Beutel und wollte gerade hochfahren, als Lukfers Magie ihn einfing und zurückhielt. »Junge«, sagte Lukfer schroff, »daran habe ich bereits gedacht. Deshalb wollte ich doch, dass du die Vorhänge öffnest. Es gibt keine Magie, die so machtvoll wäre, dass sie die Sonne zersetzen könnte. Leg den Beutel wieder hin.«
Mit zitternden Händen tat Tam, wie ihm geheißen. »Meister Lukfer, wissen Sie, wessen Magie dahinter steckt?«
Mit undurchdringlicher Miene betrachtete Lukfer ihn, im Sonnenlicht leuchteten seine Augen honiggelb. »Wenn du es ernst meinst und mir mit diesem Titel nicht nur schmeicheln willst, dann lehnst du den Vertrag ab und vergisst, was hier geschehen ist. Wirst du das tun, um unser beider willen?«
»Das kann ich nicht«, erwiderte Tam.
»Ich als dein Meister sage dir, dass es in dieser Angelegenheit um Geheimnisse des Tempels geht, die nichts mit einem Magier wie dir zu tun haben.«
»Ich habe diese Aura schon einmal gespürt. Ich weiß nicht, was sie ist, aber ich habe sie schon mal gespürt.«
»Tam, wenn dir dein Leben lieb ist, lass die Sache auf sich beruhen.«
»Zum ersten Mal habe ich sie wahrgenommen«, fuhr Tam eindringlich fort, »als die Flussmark – der Bezirk der Nachtgeborenen – gebrannt hat. Ich war einer von denen, die gerufen wurden, um das Inferno zu löschen, bevor es sich ausbreiten konnte. Da habe ich sie zuerst gespürt. Dass sie außer mir niemand wahrgenommen hat, war mir zu dem Zeitpunkt noch gar nicht bewusst. Das zweite Mal vor ein, zwei Tagen, kurz nach Sonnenuntergang, wieder aus dem Bezirk der Nachtgeborenen, in dem überdachten Bahnhof. Und zum dritten Mal bei diesem Kästchen.«
»Das hier, das war nicht das dritte Mal«, sagte Lukfer.
»N-nicht?«, stammelte Tam.
»Es muss noch mindestens ein weiteres Mal geben haben.«
Damals, nachdem er die Gerüchte über Lukfer gehört hatte, glaubte Tam, sein Meister hätte ›Sobald du dich einigermaßen im Griff hast‹ allein zum eigenen Wohle gesagt. Erst später erkannte er, dass Lukfer es ebenso zu Tams Schutz ausgesprochen hatte. Doch bereits nach den ersten Treffen, nachdem er sich Lukfers Prüfungen gestellt und sie bestanden hatte, und Lukfer in seiner Nähe zunehmend entspannter wurde, verlor er seine Furcht vor dem älteren Magier und begann ihn zu verehren. Nichtsdestotrotz, ob Tam ihn fürchtete oder verehrte, er war noch nie imstande gewesen, Lukfer zu belügen.
»An Floria Weiße Hand habe ich diesen Makel auch wahrgenommen«, seufzte er.
»Ja«, sagte Lukfer leise, als hätte er es gewusst. Dann folgte eine sehr, sehr lange Pause. »Bist du schon einmal in den Grenzlanden gewesen?«
»Den
Weitere Kostenlose Bücher