Lichtgeboren - Sinclair, A: Lichtgeboren
Magiersinne benutzte. Dann nickte er, nahm das Kind hoch und setzte es rittlings auf sein Knie. Die Empörung des Mädchens war enorm: Schlagartig wurde die Kleine puterrot, starrte Floria mit Tränen in den Augen an und begann zu schreien.
Tam wandte den Kopf zur Haustür, und eine große, blonde Frau im Malerkittel trat heraus. Mit einem misstrauischen Blick zu Floria und einem vorwurfsvollen Stirnrunzeln zu Tam kam sie herüber und nahm ihre Tochter auf den Arm. Das war Beatrice, seit gut sechs Jahren Tams Geliebte. Sie war keine Magiegeborene, sondern eine Kunsthandwerkerin, und für den Tempel würde sie nie mehr sein als eine Konkubine – obwohl der Tempel ohnehin kaum Interesse daran hatte, dass Tam zu dessen kostbaren Blutlinien irgendetwas beisteuerte. Liebevoll sah er ihr nach, wie sie mit dem Kind zum Haus ging und gerade noch rechtzeitig die Tür erreichte, bevor ihr abenteuerlustiger Dreijähriger entwischen konnte.
Tam wirkte müde und erschöpft. Das Trauerrot ließ seinen ohnehin rötlichen Teint und die Sommersprossen noch deutlicher hervortreten und biss sich mit seinen bernsteinfarbenen Haaren und Augenbrauen. Er sah aus wie Mitte zwanzig, doch sie wusste, dass er mindestens ein Jahrzehnt älter war als sie. Für einen hochrangigen, im Heilen erfahrenen Magier war das Aufhalten des Alterns geradezu trivial. Der Erzmagier war über dreihundert Jahre alt.
»Kannst du sicherstellen, dass uns niemand belauscht?«, bat Floria.
Er zeichnete einen kleinen Kreis in die Luft. »Erledigt.«
»Magister Tammorn«, sagte sie förmlich, »der Prinz wünscht, einen Vertrag auszuhandeln.«
Tam blinzelte. »Fejelis?«, sagte er und überraschte sie damit, wie selbstverständlich er den Namen parat hatte. »Hat er gesagt, worum es geht?«
Konnte er sich das nicht denken? »Darum, die Verantwortlichen für den Tod seines Vaters zu finden.«
Tams Augen wurden schmal. »Warum ich?«
»Ich habe dich ihm als geeignet empfohlen, dieser Aufgabe gewissenhaft nachzugehen.«
»Floria … « Er brach ab und winkte sie zu sich. »Setz dich.« Sie tat wie ihr geheißen, neigte ihr Rapier seitlich nach hinten und musterte ihn. Er war augenscheinlich verwirrt. Die Frage lautete nur: Warum?
»Der Palast hat diverse Magier unter Vertrag, die nun allesamt Fejelis zur Verfügung stehen.«
»Ja«, sagte sie, »das ist wohl wahr. Aber die Umstände, unter denen der Prinz gestorben ist … Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie das ohne Magie möglich gewesen sein soll. Der Prinz – Prinz Fejelis – bittet dich um ein Treffen im salle zum Ende seiner üblichen Trainingszeit, also um vier Uhr.«
»Hat er für diese Aufgabe sonst noch jemanden im Sinn?«, fragte er.
»Nein. Ich habe dich vorgeschlagen, und er ist gleich darauf eingegangen.«
Tam starrte an ihr vorbei in die Ferne. Allerdings hatte sie nicht den Eindruck, als betrachte er den Magierturm, welcher sich gigantisch über der Silhouette der Stadt abzeichnete. »Und was weißt du über den Tod des Prinzen, Floria?«
Diese Betonung war ihm wohl kaum versehentlich herausgerutscht. Trotz der Gewissheit ihrer eigenen Untadeligkeit, trotz des Sonnenlichts fühlte sie sich plötzlich unwohl. Magier verunsicherten sie, selbst dieser, den sie kannte, seit ihr Vater ihn als rothaarigen Vagabunden mit nach Hause gebracht hatte, der nur einsilbige Antworten gegeben und sich geweigert hatte, seinem Gegenüber in die Augen zu blicken. Was wusste er, was sie nicht wusste?
Floria referierte dieselbe Analyse, die sie dem Prinzen vorgetragen hatte.
»Du bist dir so ungemein sicher«, sagte er, »dass diese Tat einzig und allein durch Magie möglich war.«
»Die Lampen waren restlos entladen, stockdunkel, nicht etwa beseitigt oder abgedeckt und auch nicht zerschlagen – selbst dann hätten die Bruchstücke ja noch weitergeschimmert. Neben dem Prinzen hielten sich noch drei weitere Personen in den Gemächern auf, einer von ihnen war der Hauptmann der Leibgarde. Ihre Überreste fanden wir genau an den Stellen, wo ich sie erwarten würde: Prinz und Sekretär am Schreibtisch, Hauptmann Parhelion an der Tür, und der Kammerdiener des Prinzen war gerade dabei, das Bett herzurichten. In allen Zimmern – siebzehn an der Zahl – gingen die Lampen gleichzeitig aus, ohne Vorwarnung. Und es gab weder irgendwelche Hinweise auf einen Kampf noch auf einen Fluchtversuch.«
Sein durchdringender Blick machte sie nervös. »Bist du dir denn sicher, dass die drei anderen
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