Lichtgeboren - Sinclair, A: Lichtgeboren
Sie es getan?«
»Fürst Vladimer, bis vor wenigen Stunden hätte ich … nein gesagt. Aber ich habe … ich erinnere mich … oder, besser gesagt, ich habe geträumt, dass ich des Nachts in die Gemächer meines Prinzen gegangen bin. Ich hätte dem Prinzen jedoch niemals absichtlich Schaden zugefügt.« Ihre Stimme war tränenerstickt. Ein ungewöhnlicher Laut von dieser Frau.
»Hexerei«, sagte Vladimer tonlos.
»Etwas Derartiges hätten die Palastmagier an mir wahrgenommen. Das ist jedenfalls ein weiterer Grund, warum ich mit Balthasar sprechen wollte. Von ihm weiß ich, dass es auch nicht-magische Mittel und Wege gibt, den Willen eines Menschen zu untergraben.«
Telmaine holte Luft, um Balthasars Argument anzuführen, dass solche Methoden keinen Menschen dazu bringen konnten, etwas zu tun, was dessen Willen ganz und gar zuwider war, und ließ die Luft ungenutzt wieder entweichen.
»Was hatten Ihre Palastmagier dazu zu sagen?«
»Die dem Palast verpflichteten Magier sagen, sie hätten nichts Unheilvolles gespürt. Doch damit wollte ich mich nicht zufrieden geben und habe deshalb entschieden, einen Magier zu verpflichten, den ich persönlich kenne, einen Wildschlag – das ist ein Magier, der … « Sie zögerte.
»Ich weiß, was ein Wildschlag ist«, sagte er. »Fahren Sie fort.«
Aber ich nicht , dachte Telmaine unverhältnismäßig bockig. Sie räusperte sich und zog so Vladimers Aufmerksamkeit auf sich. Nicht ohne eine Spur Bosheit sagte er: »Die lichtgeborenen Meister der Blutlinien züchten Magier, Prinzessin Telmaine. Wie Pferdezüchter, die auf einen preisgekrönten Stammbaum achten, um gewisse Eigenschaften zu erhalten und zu stärken. Ein Wildschlag ist ein Magier, dessen Kräfte auftreten, ohne aus einer solchen Züchtung zu stammen. Alle nachtgeborenen Magier können daher als Wildschläge betrachtet werden.«
Dieser Hinweis auf die Unmoral der Lichtgeborenen ließ ihr Gesicht erglühen, und der noch deutlichere Fingerzeig auf ihre Magie verstärkte ihre Scham nur noch.
»Obwohl Tam nichts dergleichen verlauten ließ, hatte ich den Eindruck, als habe er in dem Zimmer, in dem der Prinz gestorben ist, etwas gespürt. Er schien beunruhigt. Er sagte, er müsse im Tempel weitere Nachforschungen anstellen. Und im nächsten Moment stand auch bereits die Palastwache mit einem Haftbefehl des Prinzen vor meiner Tür.«
»Ah«, sagte Vladimer. Er dachte kurz nach. »Mistress Floria, ist es nicht allgemein bekannt, dass ein ausreichend mächtiger Magier die Gestalt eines anderen annehmen kann?«
»Eine derartige Form der Magie in unmittelbarer Nähe des Prinzen hätten sie wahrnehmen müssen. Jede Hexerei … hätten sie spüren müssen.«
»Und somit wären wir, wieder einmal, bei der Frage, was eventuell gespürt wurde und was nicht«, sagte Vladimer halb zu sich selbst. »Welche Rolle mögen wohl der Sohn des Prinzen und dessen Mutter bei Isidores Tod gespielt haben?«
Telmaine erschauderte bei dieser unbekümmerten Anspielung auf Attentat und Vatermord.
»Es wäre einfach kein guter Zeitpunkt gewesen. Fejelis hat gesagt, er wäre gewiss nicht so dumm gewesen, die Absetzung seines Vaters gerade für jenen Tag zu planen, an dem er mündig wurde, und – Mutter Aller steh mir bei – ich glaube ihm. Und falls Helenja vorhatte, einen ihrer Söhne ins Spiel zu bringen, dann hätte sie Orlanjis gewählt. Aber er ist erst vierzehn – und Helenja wäre sicher nicht zur Regentin gewählt worden.«
Vladimer bedachte diesen Einwand im Stillen, seine Skepsis war jedoch förmlich spürbar.
Ein wenig verzweifelt sagte Floria: »Ich bitte Sie nicht allein um Schutz vor der Nacht, sondern ich ersuche Sie zudem um Asyl. Dies ist der einzige Ort, an dem mir die Magier dem Gesetz nach keinen Schaden zufügen können und die Palastwache nicht an mich herankommen kann.«
»Ihre Sicherheit unterliegt allerdings einem gewissen Vorbehalt«, bemerkte Vladimer. »Unter der Voraussetzung, dass Sie mit Ihrer Vermutung richtig liegen und ein Talisman existiert, der Licht außer Kraft setzen kann, und dass es Magier gibt, die so ruchlos sind, diesen auch einzusetzen.«
»Ja, das habe ich mir schon gedacht«, sagte sie vollkommen ruhig.
»Nachdem das also geklärt ist, gewähre ich Ihnen Asyl, und wir werden … sehen – wie Sie sich ausdrücken würden – , was das für Anträge sind, die für Ihre Auslieferung bei uns eingehen.« Er stützte sich auf seinen Stock und kam auf die Beine.
»Vielen Dank, Fürst
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