Lichtgeboren - Sinclair, A: Lichtgeboren
sich bitte bereit.«
Telmaine
Kurz nach dem Mitternachtsessen – einem schmackhaften, aber einsamen Mahl, in dem sie nur lustlos herumgestochert hatte – zitierte Vladimer sie wieder zu sich. Telmaine war gerade dabei gewesen, einen Brief an ihre Töchter aufzusetzen, auch wenn sie sich nur allzu sehr darüber im Klaren war, welch armseliger Ersatz das geschriebene Wort für ihre Anwesenheit darstellte – sowohl für die Mädchen als auch für sie selbst. Daher kam ihr Vladimers Ruf im Grunde ganz gelegen.
Dieses Mal eskortierte sie der Lakai zu Vladimers persönlichen Gemächern, die sich tief in den Katakomben des älteren Palastteils befanden und zweifelsohne über verborgene Gänge mit Dutzenden von Korridoren und Räumen verbunden waren. Der Lakai verkündete ihre Anwesenheit und ließ sie an der Tür stehen. Sie fragte sich, was Vladimer wohl mit Kingsley gemacht hatte.
Der Bruder des Erzherzogs saß in seinem Sessel, den Stock in der Hand. Die kaum angerührten Teller auf dem Tisch zu seiner Rechten deuteten darauf hin, dass er ebenfalls einen eher halbherzigen Versuch unternommen hatte, sein Mitternachtsessen zu sich zu nehmen. Neben den Tellern standen eine Flasche und ein kleines Glas für die Medizin, die er bereits ausgetrunken hatte. Seine Armschlinge war nirgends zu sondieren.
»Ich erwarte Besuch«, sagte er ohne Umschweife. »Mir wäre es lieber gewesen, sie an einem anderen Ort zu treffen, aber meine Ärzte – und mein Bruder – bestehen darauf, dass ich mich schone und nicht herumlaufe. Ein eventuell auftretendes Fieber bereitet ihnen Sorgen.«
Wenn die Ärzte etwas aufmerksamer wären, müssten sie sich noch um ganz andere Dinge Sorgen machen, dachte Telmaine. Der Schimmer seiner Lebensenergie war unnatürlich intensiv.
»Ich möchte Sie in der Nähe haben, aber nicht in Reichweite des Sonars. Mein Gast wird sich Ihrer zwar bewusst sein, doch ich bin davon überzeugt, dass Sie jedwede despektierliche Neugierde zu unterbinden wissen. Sie ist ja lediglich vierten Ranges.«
»Eine Magierin? «, hauchte sie.
»Namens Magistra Phoebe Broome.«
Der Atem stockte ihr vor Furcht und sittlicher Entrüstung. Vladimer fuhr fort. »Ishmael äußert sich stets positiv über die Loyalität von Farquhar Broome und dessen Tochter, wenngleich der ältere Broome, wie verlautet, reichlich gestört sein soll. Phineas Broome ist ein eingefleischter Republikaner und kein Freund des Adels. Ishmael hatte mir Magistra Broome als diejenige empfohlen, die von den dreien am verlässlichsten sei.« Telmaine bekam vor Scham einen heißen Kopf, als sie sich fragte, ob Vladimer wusste, dass Phoebe Broome hin und wieder Ishmaels Geliebte gewesen war.
»Sie haben sie gebeten, hierher zu kommen?«
»Glauben Sie mir, ich wünschte, es hätte nicht sein müssen. Sie können sich den Aufruhr vorstellen, sollten Kalamay und seinesgleichen herausfinden, dass ich mich mit Magiegeborenen berate. Selbst Sejanus wäre nicht sonderlich erfreut. Aber sie wird in der Lage sein, mir Antworten zu geben, die Sie mir nicht geben können. Jedenfalls brauche ich Sie, um mir zu sagen, ob Magistra Broome in irgendeiner Form unter schattengeborenem Einfluss steht.«
»Fürst Vladimer … «, begann sie. Niemand wies den Bruder des Erzherzogs ab. Eine Dame hingegen durfte doch gewiss – sollte sogar – ein Ansinnen ablehnen, welches ihre Tugendhaftigkeit derart bedrohte. Und welches ihre sorgfältig gehüteten Geheimnisse derart offenbaren könnte.
»Vielleicht sollte ich Sie daran erinnern«, sagte er, »dass Sie auf meine Verschwiegenheit angewiesen sind. Doch ich glaube, ich kann Ihren Charakter einschätzen und sollte sie daher besser daran erinnern, wer es war, der mich Ihrer Obhut anvertraut hat. Ich zeige Ihnen gleich, wo Sie sitzen sollen.«
Mit zusammengebissenen Zähnen stemmte er sich aus dem Sessel. Telmaine rührte sich nicht, nahm allen Mut zusammen, um ihren Einwand vorzubringen. »Fürst Vladimer, ich … « Plötzlich breitete sich das Bewusstsein eines Magiers im Palast aus, kräuselte sich und schreckte vor einer Störung zurück. »Sie sind hier«, sagte Telmaine halb flüsternd.
»Sie?«
»Es sind zwei.«
»Also hat sie einen Begleitschutz mitgebracht«, bemerkte Vladimer und klang nahezu belustigt. »Oder der Begleitschutz hat sich selbst mitgebracht. Nicht gerade das, was ich von dieser Dame erwartet hätte.« Ishmael hatte ihm von ihr erzählt, dachte Telmaine.
»Ich spüre keinen Schattengeborenen«,
Weitere Kostenlose Bücher