Lichtgeboren - Sinclair, A: Lichtgeboren
Vladimer.«
Telmaine trottete ihm durch den kleinen Vorraum in den Korridor hinterher und wartete, während er eine Glocke läutete und dem herbeieilenden Diener Anweisungen für Florias Betreuung erteilte.
»Haben Sie denn gar nicht die Absicht, ihr von den Schattengeborenen zu erzählen?«, fragte sie ihn, als sie sich auf den Rückweg machten.
»Noch nicht. Es wird für uns recht aufschlussreich sein, falls sie die Nacht überlebt.«
So wenig Telmaine für diese Frau auch übrig hatte, war sie dennoch bestürzt über ein derart eiskaltes Kalkül im Umgang mit Menschen. »Was halten Sie davon, dass die lichtgeborenen Magier angeblich nichts wahrgenommen haben? Denn ich habe mich gefragt … Ishmael erzählte, dass die Lichtgeborenen den Missbrauch von Magie unter Strafe stellen. Ihre Verhexung jedoch, die Feuerfallen in dem Lagerhaus … «
»Das alles habe ich bereits bedacht, Prinzessin Telmaine«, sagte er.
Auf ihrem Rückweg kamen keine makabren Themen mehr zur Sprache; Vladimer war merklich erschöpft. Trotz ihrer vollen Röcke und seiner längeren Beine konnte sie durch die Flure und Korridore problemlos mit ihm Schritt halten, den ganzen Weg bis zur botanischen Bibliothek. Dort angekommen nahm er in einem der bequemen Sessel Platz, und sie setzte sich auf den Holzstuhl mit der geraden Rückenlehne.
»Was haben Sie gespürt?«, fragte er.
»Es war Floria Weiße Hand. Doch sie hatte schattengeborene Magie an sich. Schwach nur, aber eindeutig vorhanden.«
»Hat sie die Wahrheit gesagt, soweit sie ihr bekannt war?«
»Ich glaube, das hat sie.«
»Sie glauben? «, fuhr er Telmaine an. »Sie dürfen nicht zulassen, dass Ihre Gefühle Ihre Ziele beeinträchtigen, Prinzessin Telmaine.«
Sie beschloss, ihm seine Worte bei passender Gelegenheit zurückzugeben.
»Ich habe Sie bisher noch nicht danach gefragt, aber spüren Sie an mir irgendeine Aura oder Fremdeinwirkung?« Vladimer hatte seine Stimme fest im Griff, und sie war in ihrem Leben selten so erleichtert gewesen, »nein« sagen zu können.
»Was vielleicht bedeutet, dass derjenige, der mich verhext hat« – sagte er mit dem leisesten Anflug eines Zögerns –, »tatsächlich tot ist. Falls Mistress Floria verhext wurde. Aber der zeitliche Ablauf stimmt einfach nicht. Der Magier starb vor dem Prinzen. Und die Hexerei bei der Meisterspionin dauert an.« Unruhig trommelte er mit den Fingern auf der Armlehne.
»Floria hat doch gesagt, die Lichtquellen würden von mehr als einem Magier verzaubert«, gab sie zaghaft zu bedenken. »Vielleicht war hier ebenfalls nicht nur ein Schattengeborener beteiligt. Immerhin wissen wir von mindestens zwei ihrer Sorte.«
»Also, kommt dieser ihr anhaftende Makel nun von einer magischen Hexerei oder vom Kontakt mit diesem vermeintlichen Talisman?«, überlegte Vladimer. »Sagen Sie, als Sie mit Tercelle Amberley gesprochen haben, spürten Sie oder di Studier solch einen Makel auch an ihr? Sie haben nichts dergleichen erwähnt.«
»Nein«, antwortete sie. »Aber Tercelle ist ihrem … « – das Wort kam ihr nur schwer über die Lippen – »… Liebhaber nicht mehr begegnet, seit sie das letzte Mal zusammen waren.« Zu ihrer Erleichterung, nahm er ihre Meinung einfach als gegeben hin; ein anderer Mann hätte vielleicht eine anzügliche Bemerkung gemacht oder auf solch eine Geschmacklosigkeit angewidert reagiert. Ermutigt fügte sie hinzu: »Und sollte sie tatsächlich verhext worden sein, wäre sie vermutlich nicht zu Balthasar geflüchtet. Denn alles, was bisher geschah, deutet darauf hin, dass die Schattengeborenen Balthasar nicht mit einbeziehen wollten .«
»Dann bleiben uns also verschiedene Erklärungsmodelle. Entweder die Ermordung des Prinzen erfolgte in geheimer Absprache mit dem Tempel. Oder es existiert eine Form der Hexerei, die keiner ihrer Magier spüren kann. Eine weitere Möglichkeit, die einem in den Sinn kommt, ist die Gestaltwandlerei von Schattengeborenen. Große Sorge bereitet mir zudem die Frage, ob ein Talisman, der dafür erschaffen wurde, Licht zu löschen, auch dahingehend erschaffen werden könnte, Licht zu erzeugen .«
Der blanke Horror ließ Telmaine erschaudern. Als Vladimers Sonar ihr Zittern erfasste, lächelte er verkniffen. »Wäre ich vorausschauend genug gewesen, hätte ich Ishmael nicht in die Grenzlande geschickt. Doch so, wie die Dinge liegen, bin ich wohl auf Sie angewiesen. Aller Wahrscheinlichkeit nach werde ich Ihre Dienste heute Nacht erneut benötigen, also halten Sie
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