Lichtgeboren - Sinclair, A: Lichtgeboren
der Tempel sie hatte fortschaffen können.
Alles, was er sonst noch von ihr wusste, stammte von den sehr seltenen Gelegenheiten, wenn Fejelis sie erwähnte.
Magister Pardel kannte er ebenfalls. Ein kräftiger, schwarzhaariger, dunkelhäutiger Mann, dessen Gang noch immer an den jungen Matrosen erinnerte, dem sich einst seine Magie plötzlich und unerwartet offenbart hatte. Er war scharfsinnig und anpassungsfähig und zudem der hochrangigste Magier aller Wildschläge des Tempels, und sowohl in magischer als auch in materieller Hinsicht sehr erfolgreich. Nahezu der letzte Mensch, den Tam hier auf dem Balkon bei einem Plausch mit Lukfer erwartet hätte.
»So, so«, sagte Pardel mit einem Seitenblick auf Viola, »ein Vertrag mit dem Prinzen. Das wird denen gewiss ein Dorn im Auge sein.«
Viola fing Tams Blick auf und zog den Kragen ihrer Jacke beiseite, um ihm anhand der Ketten um ihren Hals zu zeigen, welchen Rang sie innehatte. »Ich bin eingestuft und mündig«, sagte sie mit lieblicher, heller Stimme. »Ich bin also nicht länger verpflichtet, so zu tun, als hätte ich vor meiner Zeit im Tempel kein Leben gehabt.«
Zweiten Ranges nur. Ihm waren bereits Gerüchte zu Ohren gekommen, dass sich ihre Magie als schwach herausgestellt hatte, was ausgesprochen grausam war, denn ihre Magie hatte sie schließlich den erdgeborenen Rang gekostet. Er sah in ihre silbergrauen Augen und fragte sich, wie sie wohl darüber dachte.
»Wie geht es Jay?«
Der Name ließ ihn vor Schreck zusammenzucken. Ein naheliegender Spitzname unter Kindern, wies er sich selbst in aller Strenge zurecht. »Er steht seinen Mann«, antwortete Tam.
»Glauben Sie, dass er mich gern wiedersehen würde?«, fragte sie.
»Das könnte ich mir vorstellen«, sagte er argwöhnisch.
»Wären Sie bereit, ein Treffen zu arrangieren?«
Tam gab einen Laut von sich, der weder Zustimmung noch Ablehnung erkennen lassen sollte. Und sie ließ die Angelegenheit auf sich beruhen, verwickelte ihn jedoch in ein Gespräch über die Politik und das Tun und Treiben des Tempels, das sich zielstrebig von Fragen der Rechtmäßigkeit und Tradition entfernte. Er hätte es sogar genossen, wäre er nicht in erster Linie mit der Frage beschäftigt gewesen, was Lukfer, sie und Pardel miteinander zu schaffen hatten.
»Eine interessante junge Frau«, bemerkte Lukfer, nachdem die beiden schon eine ganze Weile gegangen waren, »die nicht vergessen hat, dass sie – wenn ihr das Schicksal keinen Strich durch die Rechnung gemacht hätte – vielleicht selbst Prinzessin geworden wäre.«
Tam warf ihm einen harschen Blick zu – Lukfers hin und her strömende Magie war nicht nur in physischer Hinsicht ausgesprochen aufdringlich. Lukfer zog lediglich eine Braue hoch, um ihn aufzufordern, seine Gedanken in Worte zu fassen.
»Warum waren sie hier? Haben Sie die beiden eingeladen?«
»Allerdings. Und ich fürchte, mein junger Dieb, dass der Rückfall in deine früheren Angewohnheiten nicht gänzlich unentdeckt geblieben ist.«
»Das Kästchen … « Und erst da fiel ihm auf, dass er diesen tödlichen Talisman gar nicht mehr spürte.
Lukfer folgte seinem Blick. »Ich habe entschieden«, sagte der ältere Magier, »teils zu meiner Erbauung, teils als Vorsichtsmaßnahme, die schattengeborene Magie des Kästchens zu annullieren.«
»Gute Mutter Aller«, keuchte er bei dem Gedanken an die Intimität, die dafür nötig gewesen war. Demnach verwunderte es wenig, dass Lukfer sich draußen im Sonnenschein aufhielt und tatsächlich, da Tam genauer hinsah, ein wenig krank aussah.
»Das war keine sonderlich angenehme Erfahrung«, sagte Lukfer, »gleichwohl eine ausgesprochen lehrreiche. Nun, nachdem meine Gäste gegangen sind, hätte ich sehr gern ein Glas dieses feinen Inselweins – die Karaffe ist nicht zu übersehen. Schenk dir auch ein Glas ein, wenn du möchtest.«
Angesichts seiner Labilität hielt sich Lukfer mit Alkohol für gewöhnlich zurück. Genau wie Tam: Bier und Schnaps hatten im Fiasko seiner Jugend eine allzu große Rolle gespielt. Er schenkte den Wein ein – per Hand, nicht mit Magie – und ging mit den Gläsern wieder hinaus auf den Balkon.
»Irgendjemand hat also bemerkt, dass ich das Kästchen mitgenommen habe«, sagte er. »Mit welchen Folgen muss ich rechnen? War das der Grund, warum Sie … ?« Er deutete ins Zimmer, zu dem ausgelöschten Kästchen.
Lukfer hielt das Weinglas hoch und betrachtete den goldenen Glanz. »Abgesehen davon, dass es eine unerfreuliche Aura
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