Lichtgeboren - Sinclair, A: Lichtgeboren
hatte, habe ich beschlossen, dass mir meine Lampen nicht zu irgendeinem unvorhersehbaren Zeitpunkt einfach ausgehen sollen.« Er hob den Blick und sah Tam direkt in die Augen. »Du denkst, ich habe es getan, um Beweise zu vernichten?«
»Ich hoffe«, sagte Tam bedächtig, »Sie hatten andere Gründe.«
»Ich kann nicht behaupten, dass dem so war«, entgegnete Lukfer.
Tam mäßigte seine Wut. Sich von Lukfers aufgerührter Magie vom Balkon werfen zu lassen, würde viel zu viel Aufmerksamkeit erregen. »Ich war heute zum Frühstück bei Fejelis und seiner Familie – beiden Zweigen. Unter eine der Soßen war ein Gift gemischt – in einer dieser scharf gewürzten, die nur Südländer essen. Und zudem gab es einen von Orlanjis wahrscheinlich inszenierten Zwischenfall. Bei solch einer Ansammlung von Magiern um diesen Frühstückstisch hätte das Gift vermutlich niemanden getötet, aber ich habe es dennoch neutralisiert. Ich wollte es probieren, um mehr darüber herauszufinden, doch aus Sorge um meinen Gaumen hielt Fejelis mich davon ab.«
Lukfer schnaubte. »Das hat den Verantwortlichen zweifellos zutiefst verwirrt.«
Tam rieb sich die Stirn, blinzelte in die tief am Himmel stehende Sonne. »Fejelis glaubt, die Lösung läge allein darin, den Mörder seines Vaters zu ermitteln. Und ich bezweifle, dass er begreift, wie sehr sich die von ihm gewohnte Stabilität darauf gründete, dass sein Vater so lange und so gut regiert hat. Diesen Zustand bekommt er nicht zurück, indem er einfach die verantwortliche Fraktion belastet. Er ist noch so jung, Lukfer. Idealistisch und fatalistisch. Er ist davon überzeugt, unverwundbar zu sein, und gleichermaßen sicher, früh zu sterben. Und zudem, so oder so, fest entschlossen, die größten Risiken einzugehen.«
Tam begann, auf und ab zu gehen. »Letzte Nacht habe ich wieder schattengeborene Magie wahrgenommen. Ich konnte ihren Ausgangspunkt dem erzherzoglichen Palast zuordnen. Der Magier war stark, aber nicht besonders bewandt. Ich wollte das Kästchen noch einmal untersuchen, um vielleicht herauszufinden, ob es derselbe Magier war.«
»Ah«, sagte Lukfer. »Der Talisman wurde von zwei Magiern verhext – der eine war mächtig und beherrschte sein Metier, der andere mächtig und nicht sonderlich geschickt. Vielleicht ein Meister und sein Schüler, und vielleicht hast du den Schüler gespürt.« Ausgesprochen nüchtern fuhr er fort: »Sie verstehen unsere Form der Magie wirklich gut, Tam. Ich selbst hätte keine effektivere Annullierung bewirken können.« Nach jahrzehntelangem Kampf darum, seine Kräfte zu kontrollieren, hatte Lukfer genauso viele theoretische Kenntnisse über Magie gewonnen wie jeder andere im Turm.
Doch er würde niemals in der Lage sein, sie weiterzugeben, weder seine Kräfte noch seine Kenntnisse. Die Meister der Blutlinien versuchten unermüdlich, wenn auch vergeblich, seine magischen Fähigkeiten in ihre Linien hineinzuzüchten. Keines seiner diversen Kinder – allesamt geboren von sorgsam ausgewählten Müttern – erreichte einen höheren Rang als den vierten. Und die eine starke Enkelin, die er hatte, war vor Jahren plötzlich verschwunden. In den letzten vier Jahrzehnten war Tam sein einziger Schüler gewesen, der einzige, der sich damit zufrieden gab, seine Einsichten häppchenweise zu erhalten.
»Warum haben Sie Pardel und die Magistra Viola herbestellt?«
»Du hast mich darum gebeten – du wolltest, dass ich eine Möglichkeit finde, diese Magie zu zerstören.«
»Sie haben es Ihnen erzählt ?«, stieß Tam gekränkt hervor – er konnte nicht vergessen, wie sehr er um Lukfers Einwilligung hatte ringen müssen. Er schüttelte den Kopf zur Entschuldigung.
Lukfers mattes Lächeln vermittelte Herzlichkeit und Vergebung. »Noch nicht. Zunächst muss ich mir absolut sicher sein, dass wir ihnen vertrauen können, bevor wir sie darin verwickeln, außerhalb des Paktes zu wirken.«
Außerhalb des … »Das ist unmöglich.«
»Ist es das?« Plötzlich war die Luft erfüllt von Kälte und Fäulnis, und auf Lukfers Wein züngelte eine durchsichtige, blaue Flamme. Diese unerwartete Nähe zur schattengeborenen Magie ließ Tam unvermittelt würgen. Lukfer erhob das Glas, und sanft löschte er die Flamme mit einem erneuten Impuls dieser abscheulichen Magie. »Sie ist nicht nachweisbar, zumindest nicht für die Magier der Blutlinien. Und es ist nicht annähernd so unangenehm, sie zu benutzen, wie sich in ihrer Nähe aufzuhalten.«
»Mutter Aller Dinge«,
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