Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga
ihn in die Rippen und James kicherte.
»Maggie musste uns verlassen«, sagte Mr. Dawson kühl. »Jemand in ihrer Familie ist krank, da wurde sie zu Hause gebraucht. Sie hat heute Morgen gepackt und ist gegangen. Schade, dass ich dich enttäuschen muss, Max.«
»Ich bin nicht enttäuscht«, entgegnete Max und wurde knallrot. »Diese blöden, kleinen ...«
»Ooooh — ooooh«, sang James und tanzte außer Reichweite vor Max herum. »Oooh, der arme Max hat seine Maggie verloren.« Will sagte nichts. Er war zufrieden.
Die hohe Tanne, deren Zweige mit faseriger weißer Schnur flach an den Stamm gebunden waren, wurde auf die Handkarre geladen, dazu kam noch die knorrige Wurzel einer alten Buche, die Bauer Dawson vor einiger Zeit gefällt hatte. Er hatte die Wurzel in zwei Teile gespalten und beiseite gelegt: als Julscheit für sich und die Stantons. Es musste die Wurzel eines Baumes sein, kein Ast, das wusste Will, obgleich ihm niemand den Grund erklärt hatte. Heute Abend würden sie das Scheit auf das Feuer im großen Backsteinkamin des Wohnzimmers legen und es würde langsam den ganzen Abend brennen, bis sie zu Bett gingen. Irgendwo war noch ein Rest des vorjährigen Julscheits verstaut, das würden sie benutzen, um das neue zu entfachen.
»Hier«, sagte der alte George, der plötzlich an Wills Seite auftauchte, als sie die Karre schon zum Tor hinausschoben, »das ist auch noch für dich.« Er hielt ihm einen großen Strauß Stechpalmenzweige hin, schwer von Beeren.
»Das ist sehr nett von Ihnen, George«, sagte Mr. Stanton. »Aber wir haben ja den großen Busch neben der Haustür. Wenn Sie also jemand wissen, der keine Stechpalmen hat — «
»Nein, nein, nehmen Sie.« Der alte Mann schwenkte den Zeigefinger. »An Ihrem Busch sind nicht halb so viel Beeren. Das hier ist 'ne ganz besondere Stechpalme.«
Er legte den Strauß vorsichtig auf die Karre, dann brach er schnell ein Zweiglein ab und steckte es in das oberste Knopfloch von Wills Jacke. »Und ein guter Schutz gegen die Dunkelheit«, sagte die Alte Stimme leise in Wills Ohr. »Man steckt's über die Tür und über das Fenster.« Das zahnlose Grinsen spaltete das braune verwitterte Gesicht, ein gackerndes Greisengelächter, dann war der Uralte wieder der alte George, der ihnen zum Abschied winkte. »Fröhliche Weihnachten!«
»Fröhliche Weihnachten, George!«
Nachdem sie den Baum feierlich zur Vordertür hineingetragen hatten, machten sich die Zwillinge darüber her und befestigten ihn in einem Ständer aus gekreuzten Brettern. In einer Zimmerecke saßen Mary und Barbara in einem raschelnden See von Buntpapier, das sie in Streifen schnitten, in rote, gelbe, blaue, grüne, die sie dann zu Papierketten zusammenklebten.
»Das hättet ihr gestern machen sollen«, sagte Will, »die müssen doch trocknen.«
»Du
hättest das gestern machen sollen«, erwiderte Mary und warf ihr langes Haar zurück. »Das muss doch immer der Jüngste machen.«
»Ich hab schon neulich einen Haufen Streifen geschnitten«, sagte Will gekränkt.
»Die haben wir schon längst verbraucht.«
»Aber ich hab sie trotzdem geschnitten.«
»Außerdem«, sagte Barbara versöhnlich, »hat er gestern Weihnachtseinkäufe gemacht. Halt also lieber den Mund, Mary, sonst gibt er dir dein Weihnachtsgeschenk nicht.«
Mary knurrte, beruhigte sich aber und Will klebte lustlos ein paar Kettenglieder zusammen, aber er behielt die Tür im Auge. Als er seinen Vater und James mit einer Ladung alter Kartons auftauchen sah, schlich er ihnen leise nach. Nichts konnte ihn vom Schmücken des Weihnachtsbaumes abhalten.
Aus den Schachteln kam der ganze vertraute Schmuck zu Tage: der goldhaarige Engel für die Spitze des Baumes, die Kette edel-steinbunter Lichter, die zerbrechlichen Glaskugeln, die seit Jahren liebevoll verwahrt wurden. Hohle Halbkugeln, deren Inneres einen trichterförmigen Strudel bildete wie eine rote oder goldgrüne Muschel, schlanke Glaszapfen, Spinnweben aus silbrigen Glasfäden und Perlen. Schimmernd, sich leise drehend, hingen sie an den dunklen Zweigen der Tanne.
Dann gab es noch andere Schätze. Kleine Goldsterne und Kränze aus geflochtenem Stroh, schwingende Glöckchen aus Silberpapier; dazu gab es eine ganze Auswahl von Zierrat, den die verschiedenen Stanton-Kinder gebastelt hatten, angefangen von Wills kindlichem Rentier aus Pfeifenreinigern bis zu dem schönen Filigrankreuz aus Kupferdraht, das Max in seinem ersten Jahr in der Kunstschule entworfen hatte. Zuletzt kamen die
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