Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga
Weihnachtsfreude bei den Stantons richtig entzündete. Hinweise, Ahnungen und Versprechungen auf ganz besondere Dinge, die hatte es schon seit Wochen gegeben; aber jetzt war das alles zu einer gleichmäßig frohen Erwartung aufgeblüht.
Das Haus war von wunderbaren Backdüften erfüllt. In einer Ecke der Küche legte Gwen gerade Hand an die letzten Zuckergussverzierungen des Weihnachtskuchens. Ihre Mutter hatte ihn schon vor drei Wochen gebacken und den Weihnachtspudding hatte sie schon vor drei Monaten gemacht. Sobald jemand das Radio andrehte, durchzogen die uralten, vertrauten Weihnachtsweisen das Haus. Das Fernsehgerät wurde an diesem Tag überhaupt nicht angestellt. Für Will gab es gleich nach dem Frühstück ein doppeltes Ritual: das Besorgen des Julscheites und des Weihnachtsbaumes.
Mr. Stanton aß eben sein letztes Stück Toast. Will und James standen zappelnd neben ihm am Frühstückstisch. Ihr Vater hielt das-Brot selbstvergessen in der Hand und brütete über der Sportseite der Zeitung. Auch Will interessierte sich brennend für die Geschicke des Chelsea-Fußballclubs, aber nicht am Morgen des Tages vor Weihnachten.
»Möchtest du noch Toast, Papa?«, fragte er laut.
»Hm«, murmelte Mr. Stanton. »Aah.«
James sagte: »Hast du genug Tee, Papa?«
Mr. Stanton blickte auf, wandte sein rundes Gesicht mit den sanften Augen erst dem einen, dann dem anderen Sohn zu und lachte. Er legte die Zeitung hin, trank seine Tasse leer und stopfte sich das Stück Toast in den Mund. »Also, kommt schon«, sagte er mit vollem Mund und nahm mit jeder Hand einen am Ohr. Sie heulten glücklich auf und rannten, um Stiefel, Jacken und Schals zu holen.
Gemeinsam schoben sie die Handkarre die Straße entlang, Will, James, Mr. Stanton und Max. Max, der größer war als sein Vater, größer als alle anderen, mit seinem dunklen langen Haar, das wie ein seltsamer Vorhang unter der zerbeulten alten Mütze hervorsah. Was wird Maggie Barnes davon halten, dachte Will heiter, denn er sah sie in Gedanken, schelmisch wie immer, hinter dem Vorhang des Küchenfensters hervorlugen, um einen Blick von Max zu erhaschen; aber im gleichen Augenblick fiel ihm ein, wer Maggie Barnes war und erschrocken dachte er:
Bauer Dawson ist einer der Uralten, man muss ihm Bescheid sagen.
Und er war verzweifelt, weil er nicht früher daran gedacht hatte.
Sie kamen auf Dawsons Hof an. Der alte George Smith kam ihnen mit seinem zahnlosen Grinsen entgegen. Am Morgen hatte ein Schneepflug die Straße geräumt, aber überall sonst lag tiefer Schnee.
»Hab euch den allerschönsten Baum aufgehoben«, rief der alte George munter, »gerade wie ein Mast, genau wie der vom Bauern. Beides wieder königliche Bäume, sozusagen.«
»So königlich wie nur möglich«, sagte Mr. Dawson, während er aus dem Haus trat und seine Jacke zuknöpfte. Will wusste, dass er es wörtlich meinte: Jedes Jahr wurden einige Weihnachtsbäume aus den königlichen Forsten des Schlosses von Windsor verkauft und ein paar fanden immer auf Dawsons Lastwagen ihren Weg ins Dorf.
»Guten Morgen, Frank«, sagte Mr. Stanton.
»Morgen, Roger«, erwiderte Bauer Dawson und strahlte die Jungen an. »He, ihr Burschen. Fahrt die Karre hintenrum.« Sein Blick glitt gleichgültig über Will, ohne das leiseste Zeichen des Erkennens, aber Will hatte absichtlich seine Jacke aufstehen lassen, sodass man deutlich sehen konnte, dass jetzt zwei durchkreuzte Kreise an seinem Gürtel steckten.
»Schön, euch alle so wohl zu sehen«, sagte Mr. Dawson munter, während sie die Karre nach hinten auf die Scheune zu schoben; und seine Hand ruhte kurz auf Wills Schulter. Ihr leiser Druck sagte ihm, dass Bauer Dawson sich denken konnte, was in den letzten Tagen geschehen war. Er dachte an Maggie Barnes und suchte hastig nach Worten, in denen er eine Warnung verstecken konnte.
»Wo ist deine Freundin, Max?«, fragte Will absichtlich laut und deutlich.
»Freundin?«, sagte Max entrüstet. Da er sich ausschließlich für eine blondbezopfte Mitstudentin der Londoner Kunstschule interessierte, von der täglich dicke, hellblaue Briefe mit der Post kamen, waren ihm die Mädchen der Nachbarschaft völlig gleichgültig.
»Hoh, ho, ho.« Will blieb hartnäckig. »Du weißt schon, wen ich meine.«
Unglücklicherweise hatte James Spaß an Neckereien und er stimmte begeistert ein. »Maggie-Maggie-Maggie«, sang er fröhlich. »Oh, Maggie, die Kuhmagd, ist verliebt in den großen Künstler Max, oh — oooh — « Max puffte
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