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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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sagte Paul amüsiert. »Du hast einen Freund. Er bringt dir ein extra Weihnachtsgeschenk.«
    »Vielleicht ein Friedensopfer«, sagte Frank Dawson, der hinter ihnen ging. Seine tiefe bäuerliche Stimme war ganz ohne Ausdruck. »Und vielleicht auch nicht. Fröhliche Weihnachten. Und guten Appetit.« Und der Uralte entfernte sich die Straße hinunter.
    Will betrachtete die Kastanie. »Nein, so etwas«, sagte er. Sie machten das Kirchhoftor hinter sich zu und schüttelten dabei ganze Ladungen von Schnee von den flachen Eisenstäben. Um die Ecke kam das Husten und Tuckern eines Motorrades: Der Pfarrer versuchte sein Stahlross zum Leben zu erwecken. Dann kam die Krähe wieder geflogen und ließ sich ein paar Schritte vor ihnen auf dem festgetretenen Schnee nieder. Sie ging unentschlossen vor und zurück und sah dabei Will an.
    »Kaark«, sagte sie, sehr sanft für eine Krähe. »Kaark, kaark, kaark.« Dann machte sie ein paar Schritte auf das Kirchhofgitter zu, flog wieder in den Kirchhof hinein, kam ein paar Schritte zurück. Die Einladung hätte nicht deutlicher sein können. »Kaark«, sagte die Krähe jetzt lauter.
    Die Ohren eines Uralten wissen, dass Vögel nicht mit der Deutlichkeit von Worten sprechen, sondern dass sie Gefühle ausdrücken. Es gibt viele Arten und viele Grade von Gefühlen und sogar die Sprache der Vögel hat verschiedene Arten des Ausdrucks. Will verstand wohl, dass der Vogel ihn aufforderte, ihm zu folgen, dass er ihm etwas zeigen wollte; er wusste aber nicht, ob das Tier nicht von der Finsternis missbraucht wurde.
    Er blieb stehen und überlegte, was die Krähen bisher getan hatten, dann drehte er die glänzende Kastanie hin und her. »Gut, Vogel«, sagte er schließlich. »Ich schaue mal schnell nach.«
    Er ging durch das Tor zurück und die Krähe, die jetzt krächzte wie eine alte Tür, stelzte vor ihm her auf die Kirche zu und dann um die Ecke. Paul schaute grinsend zu. Dann sah er, wie Will, als er die Ecke erreichte, plötzlich erstarrte, einen Augenblick verschwand, zurückkam.
    »Paul, komm schnell! Da liegt ein Mann im Schnee.«
    Paul rief den Pfarrer, der das Motorrad gerade auf die Straße schob, um es dort zu starten, und zusammen liefen sie los. Will stand über eine zusammengekauerte Gestalt gebeugt, die im Winkel zwischen der Kirchenmauer und dem Turm lag. Sie rührte sich nicht und der Schnee hatte die Kleider schon einen Fingerbreit mit seinen kalten fedrigen Flocken bedeckt. Mr. Beaumont schob Will sanft zur Seite, kniete nieder, hob den Kopf des Mannes und fühlte seinen Puls.
    »Gott sei Dank, er lebt noch, aber er ist sehr kalt. Der Puls ist nicht gut. Er muss hier so lange gelegen haben, dass die meisten anderen erfroren wären — seht euch den Schnee an. Wir wollen ihn hineintragen.«
    »In die Kirche?«
    »Nun, natürlich.«
    »Wir wollen ihn zu uns nach Hause bringen«, sagte Paul bewegt. »Es ist ja nur um die Ecke. Da ist es warm und da ist er besser versorgt, mindestens, bis eine Ambulanz oder ein Arzt kommt.«
    »Eine wunderbare Idee«, sagte Mr. Beaumont herzlich. »Deine gute Mutter ist eine Samariterin, das weiß ich. Nur bis Dr. Armstrong kommen kann ... jedenfalls können wir den armen Kerl nicht hier liegen lassen. Ich glaube nicht, dass er etwas gebrochen hat. Wahrscheinlich ein Herzversagen.« Er schob dem Mann seine schweren Motorradhandschuhe unter den Kopf, um ihn vor dem Schnee zu schützen, und Will sah jetzt erst das Gesicht.
    Erschrocken sagte er: »Es ist der Wanderer!«
    Die beiden wandten sich ihm zu: »Wer?«
    »Ein alter Landstreicher, der hier herumstrolcht... Paul, wir können ihn nicht mit nach Hause nehmen. Können wir ihn nicht zu Dr. Armstrongs Praxis bringen?«
    »Bei diesem Wetter?« Paul wies auf den Himmel, der immer dunkler wurde; das Schneetreiben war wieder dichter geworden, der Wind blies heftiger.
    »Aber wir können ihn nicht mitnehmen. Nicht den Wanderer. Er wird die — « Er unterbrach sich, mitten im Schrei. »Oh«, sagte er hilflos. »Natürlich kannst du dich nicht erinnern.«
    »Mach dir keine Sorgen, Will, deine Mutter hat bestimmt nichts dagegen — ein armer Mann
in extremis — «
Mr. Beaumont wurde jetzt geschäftig. Er und Paul trugen den Wanderer zum Tor wie einen Haufen alter Kleider. Schließlich gelang es, das Motorrad anzuwerfen, sie packten das Bündel irgendwie drauf und halb fahrend, halb schiebend machte sich die seltsame kleine Gruppe auf den Weg zum Haus der Stantons.
    Will schaute sich um — die Krähe

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