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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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verlassen; es gehörte zu den romantischeren Geschichten in der Familie: wie sie nach Wales gekommen war, um dort einen Urlaub zu verbringen, sich Hals über Kopf in einen jungen walisischen Bauern verliebt hatte und nie mehr nach Hause zurückgekehrt war. Inzwischen hörte sie sich an, als sei sie selbst eine Waliserin, und sah auch so aus, mit ihrer zierlichen, angenehm gerundeten Figur und den glänzenden, dunklen Augen.
    »Wo ist Onkel David?«, fragte Will.
    »Irgendwo draußen im Hof. In dieser Jahreszeit gibt es viel Arbeit mit den Schafen; die Bergbauern bringen die einjährigen Tiere für den Winter hinunter ins Tal ... Er muss gleich nach Tywyn fahren und wollte gern wissen, ob du Lust hast mitzukommen. Du könntest an den Strand gehen, bei diesem sonnigen Wetter.«
    »Klasse.«
    »Natürlich nicht schwimmen«, fügte Tante Jen hastig hinzu.
    Will lachte. »Ich weiß, ich bin gebrechlich, ich werde vorsichtig sein ... Ich würde gern mitfahren. Ich könnte Mum eine Karte schreiben und ihr mitteilen, dass ich heil hier angekommen bin.«
    Schritte stampften über den Boden und Rhys tauchte zerzaust in der Tür auf und zog seinen Pullover aus. »Morgen, Will. Hast du uns etwas vom Frühstück übrig gelassen?«
    »Du bist spät dran«, sagte Will herausfordernd.
    »Spät, ja?« Rhys warf ihm einen scheinbar zornigen Blick zu. »Hört ihn euch an! Und ich bin seit sechs Uhr früh draußen und habe nicht mehr als eine armselige Tasse Tee im Magen. Morgen früh, John, werden wir diesen kleinen Affen aus dem Bett zerren und mitnehmen.«
    Hinter ihm lachte jemand mit tiefer Stimme in sich hinein. Will schaute in ein Gesicht, das er bisher noch nicht gesehen hatte.
    »Will, das ist John Rowlands. Hat die beste Hand für Schafe in ganz Wales.«
    »Und für die Harfe ebenfalls«, sagte Tante Jen.
    Es war ein mageres Gesicht mit vorstehenden Backenknochen und vielen Falten, besonders um die jetzt lächelnden Augen herum. Dunkle Augen, braun wie Kaffee, dünn werdendes dunkles Haar, mit grauen Strähnen an den Seiten, der wohlgeformte Mund der Kelten. Einen Augenblick lang starrte Will ihn fasziniert an; es ging eine merkwürdige, undefinierbare Stärke von diesem John Rowlands aus, obwohl er keineswegs besonders kräftig wirkte.
    »Croeso,
Will«, sagte John Rowlands, »willkommen in Clwyd! Deine Schwester hat mir im letzten Frühjahr von dir erzählt.«
    »Großer Gott«, sagte Will erstaunt und gedankenlos, und alle lachten.
    »Nichts Schlimmes«, sagte Rowlands lächelnd. »Wie geht es Mary?«
    »Ihr geht's wunderbar«, sagte Will. »Sie sagte, sie hätte es herrlich hier gehabt, letzte Ostern. Ich war zu der Zeit auch fort. In Cornwall.«
    Er schwieg einen Augenblick, sein Gesichtsausdruck war plötzlich geistesabwesend und leer; John Rowlands musterte ihn rasch, dann setzte er sich an den Tisch, wo Rhys sich schon über Speck und Eier beugte. Wills Onkel trat ein, einen Stoß Papiere in der Hand.
    »Cwpanaid o de, cariad?«,
sagte Tante Jen, als sie ihn erblickte.
    »Diolch yn fawr«,
sagte David Evans und nahm die Tasse Tee, die sie ihm reichte. »Und dann muss ich mich auf den Weg nach Tywyn machen. Möchtest du mitfahren, Will?«
    »Ja, gerne.«
    »Es kann ein paar Stunden dauern.« Seine Worte klangen immer sehr exakt. Er war klein und schlank, mit scharfen Gesichtszügen, doch manchmal trat unerwartet ein unbestimmter, nachdenklicher Ausdruck in seine dunklen Augen. »Ich muss zur Bank; mit Llew Thomas sprechen, und dann ist da noch der neue Reifen für den Landrover. Das Auto, das einen Satz in die Luft machte und sich selbst zu einem Platten verhalf.«
    Rhys protestierte mit vollem Mund und erstickter Stimme. »Hör mal, Dad«, sagte er schluckend. »Ich weiß, wie es sich anhört, aber ich bin wirklich nicht verrückt. Es war
nichts
da, was das Auto so zur Seite und gegen den Felsen hätte schleudern können. Außer die Lenkung ist nicht mehr in Ordnung.«
    »Mit der Lenkung des Autos ist alles in bester Ordnung«, sagte David Evans.
    »Na also!« Rhys ruderte entrüstet mit den Ellbogen. »Ich sag dir, das Auto kam ohne jeden Grund ins Schleudern. Frag Will.«
    »Es stimmt«, sagte Will. »Das Auto machte eine Art Satz zur Seite und prallte gegen diesen Felsen. Ich weiß nicht, was es dazu brachte, einen Satz zu machen, außer vielleicht ein lockerer Stein auf der Straße — aber der hätte ganz schön groß sein müssen. Und so einen Stein haben wir nirgends gesehen.«
    »Ich sehe, ihr habt euch schon

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