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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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durch seinen Willen zur Eile anzuspornen, sie zu drängen, der Katastrophe, wie sie auch aussehen mochte, zu entfliehen. Der Katastrophe ... Auch er blickte nach Osten.
    Aber es war schwer zu erkennen, was er dort sah. Eine seltsame Doppellandschaft lag vor ihm, ein massiver gekrümmter Hang, sichtbar durch die Phantomumrisse der flachen Felder und der Hecken seiner eigenen Zeit und die schimmernde Andeutung der Themse. Die Schwäne waren immer noch da — und doch nicht da; einer von ihnen neigte den anmutigen Hals zur Oberfläche des Wassers, geisterhaft wie ein in einer Fensterscheibe reflektiertes Bild ...
     
    ... und dann auf einmal war der Schwan wirklich, greifbar, undurchsichtig und Will schaute nicht mehr aus seiner eigenen in eine andere Zeit. Die Reisenden waren verschwunden, untergetaucht in jenem anderen Sommertag vor tausenden von Jahren. Will schloss die Augen und bemühte sich verzweifelt, ein Bild von ihnen in sein Gedächtnis einzupflanzen, bevor es verblasste. Er erinnerte sich an einen Topf aus dumpf glänzender Bronze, ein Bündel Pfeile mit Spitzen aus scharfen schwarzen Feuerstein-splittern, an die dunkle Haut und die dunklen Augen der Frau in. Weiß und an das leuchtende Blau der Perlenkette um ihren Hals. Am meisten erinnerte er sich an das Gefühl der Angst.
    Er erhob sich aus dem hohen Gras, das Buch in der Hand; er spürte, wie seine Beine zitterten. In einem Baum über ihm sang, unsichtbar für ihn, eine Singdrossel ihr trillerndes Lied zweimal nacheinander. Will ging mit unsicheren Schritten zum Fluss hinüber; James rief ihn zu sich.
    »Will! Komm hierher! Komm und sieh dir das an!«
    Er folgte blind dem Geräusch. Stephen warf elegant seine Angel aus; die Schnur zischte durch die Luft. James war dabei, einen Wurm am Haken zu befestigen. Er legte ihn ab und hielt triumphierend drei durch die Kiemen zusammengebundene Flussbarsche in die Höhe.
    »Große Güte«, sagte Will. »Das ging schnell!«
    Bevor er die Worte bedauern konnte, zog James eine Augenbraue hoch. »Nicht besonders. Ein kleines Schläfchen gemacht? Komm, hol deine Angel.«
    »Nein«, entgegnete Will und meinte sowohl die Frage als auch die Aufforderung. Stephen drehte sich nach ihm um und ließ plötzlich seine Schnur durchhängen. Er musterte Will eindringlich und runzelte die Stirn.
    »Will? Bist du in Ordnung? Du siehst ...«
    »Ich fühl mich wirklich etwas komisch«, sagte Will.
    »Sicher die Sonne. Hat dir auf den Hals gebrannt, während du da gehockt und das Buch gelesen hast.«
    »Wahrscheinlich.«
    »Auch in England kann es ganz schön heiß werden, Kumpel. Flammender Juni. Dazu noch Mittsommernacht ... leg dich ein Weilchen in den Schatten. Und trink den Rest Limonade.«
    »Alles?«, fragte James entrüstet. »Und wir?«
    Stephen deutete einen Fußtritt in seine Richtung an. »Fang du noch zehn Flussbarsche und ich spendier dir einen Drink auf dem Heimweg. Geh schon, Will. Unter die Bäume.«
    »Okay«, sagte Will.
    »Ich hab dir ja gleich gesagt, dass das Buch blöd ist«, sagte James.
    Will ging über das Feld zurück und setzte sich in das kühle Gras unter den Ahornbäumen, neben die Reste ihres Picknicks.
    Während er in kleinen Schlucken Limonade aus einem Plastikbecher trank, schaute er beunruhigt zum Fluss hinüber, aber alles war ganz normal. Die Schwäne waren nicht mehr da. Mücken tanzten in der Luft und alles war dunstig vor Hitze. Er hatte Kopfschmerzen; er stellte den Becher zur Seite, legte sich auf den Rücken und blickte nach oben. Über ihm tanzten Blätter, die Zweige atmeten und schwankten, hin und her, hin und her, und schoben grüne Muster vor den blauen Himmel. Will presste die Handflächen gegen die Augen und dachte an die undeutlichen hastenden Gestalten, die aus der Vergangenheit vor ihm aufgeflackert waren, dachte an die Angst ...
    Auch später konnte er nie sagen, ob er eingeschlafen war. Das Seufzen des leichten Windes schien lauter, heftiger zu werden; auf einmal sah er andere Bäume über sich, Buchen, deren ovale Blätter aufgeregter und wilder tanzten als Ahorn oder Eiche. Und dies war keine gerade Reihe von Bäumen, die sich ohne Unterbrechung bis zum Fluss erstreckte, sondern ein kleines Wäldchen. Der Fluss war verschwunden, sein Rauschen und sein Geruch. Zu beiden Seiten sah Will den offenen Himmel. Er setzte sich auf.
    Er befand sich hoch über dem bewaldeten Themsetal auf einem gekrümmten grasbewachsenen Hang; die Gruppe von Buchen um ihn herum markierte die Spitze des

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