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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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Hügels wie eine Mütze. Futterwicken wuchsen in dem kurzen, federnden Gras neben ihm; von einer der gebogenen Blüten flatterte ein kleiner blauer Schmetterling auf seine Hand und wieder davon. Das tiefe Summen von Insekten in den Feldern im Tal war verschwunden; stattdessen hörte er hoch über sich durch den Wind hindurch das Lied einer Lerche in den Äther perlen.
    Und dann hörte er von irgendwoher Stimmen. Er wandte den Kopf um. Leute kamen den Hügel heraufgehastet; sie rannten von einem Busch oder Baum zum nächsten und mieden den offenen Hang. Die ersten zwei oder drei hatten gerade ein merkwürdiges tiefes Loch im Hügel erreicht, das Will ohne sie gar nicht aufgefallen wäre, so dicht war es von Gestrüpp überwachsen. Sie trugen Bündel aus grobem, dunklem Stoff, aber die Bündel waren so hastig zusammengepackt worden, dass er den Inhalt hin-durchschimmern sah. Er zwinkerte mit den Augen: Er sah goldene Becher, Teller, Pokale, ein großes, mit Edelsteinen besetztes goldenes Kreuz, hohe Kerzenhalter aus Gold und Silber, Roben und Gewänder aus schimmernder Seide, durchwebt mit Goldfäden und Juwelen — die Menge der Schätze schien unermesslich. Die Gestalten befestigten Seile an den Bündeln und ließen eines nach dem anderen in das Loch hinuntergleiten. Will sah einen Mann im Gewand eines Mönches, der die Aufsicht zu haben schien: Er gab Anweisungen und Erklärungen und behielt ständig besorgt die Umgebung im Auge.
    Drei kleine Jungen kamen den Hügel heraufgerannt, dem ausgestreckten Arm des Mönches folgend. Will erhob sich langsam. Aber die Jungen trotteten an ihm vorbei, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen; sie ignorierten ihn so völlig, dass er wusste: Er befand sich nur als Beobachter in dieser vergangenen Zeit, unsichtbar, nicht einmal spürbar.
    Die Jungen blieben am Rande des Wäldchens stehen und blickten angestrengt über das Tal; offensichtlich waren sie dorthin geschickt worden, um Wache zu halten. Während er sie dort ängstlich aneinander gedrückt stehen sah, konzentrierte Will sich darauf, ihre Stimmen zu hören, und kurze Zeit später hallten sie in seinem Kopf wider.
    »Niemand kommt hier entlang.«
    »Noch nicht.«
    »Zwei Stunden vielleicht noch, hat der Läufer gesagt. Ich habe ihn mit meinem Vater reden hören, er sagte, es sind hunderte, wie schrecklich, die plündernd den Alten Weg entlangkommen. Sie haben London in Brand gesetzt, sagte er, man konnte den schwarzen Rauch in dicken Wolken aufsteigen sehen ...«
    »Wenn sie dich erwischen, schneiden sie dir die Ohren ab. Den Jungen. Die Männer schlitzen sie der Länge nach auf und mit Frauen und Mädchen machen sie noch schlimmere Sachen ...«
    »Mein Vater wusste, dass sie kommen würden. Er hat es gesagt. Es ist Blut anstelle von Regen gefallen im Osten, im letzten Monat, hat er gesagt, und man hat Drachen durch die Lüfte fliegen sehen.«
    »Solche Zeichen gibt es immer, bevor die heidnischen Teufel kommen.«
    »Was für einen Sinn hat es, die Schätze zu vergraben? Es wird niemals jemand zurückkommen, um sie zu holen. Es kommt niemals jemand zurück, wenn die Teufel sie vertreiben.«
    »Vielleicht diesmal.«
    »Wohin gehen wir?«
    »Wer weiß? Nach Westen ...«
    Drängende Stimmen riefen nach den Jungen; sie rannten zurück. Die Bündel waren alle versteckt und einige der Gestalten hasteten schon hügelabwärts. Will beobachtete fasziniert, wie die letzten Männer einen großen, flachen Feuersteinblock über das Loch zerrten, den größten Feuerstein, den er je gesehen hatte. Sie passten ihn sauber in die Öffnung ein, wie eine Art Deckel, dann breiteten sie Grassoden darüber aus, und als Letztes steckten sie Zweige von Büschen aus der Umgebung hinein. Einen Augenblick später wies nichts mehr auf das Versteck hin; keine Narbe im Hügel zeigte, dass hier hastig etwas verändert worden war. Ein Mann stieß einen Alarmruf aus und zeigte auf die andere Seite des Tales; jenseits des nächsten Hügels stieg eine dicke Rauchwolke auf. In panischer Angst lief die ganze Gruppe den grasbedeckten Kalkhang hinunter, rutschend und springend, die Mönchsgestalt genauso hastig und ungestüm wie die Übrigen.
    Und eine Woge der Panik ergriff Will, so intensiv, dass sich ihm der Magen umdrehte. Für einen Augenblick erlebte er ebenso deutlich wie diese Flüchtenden die animalische Angst vor einem grausamen, gewalttätigen Tod: vor Schmerzen, vor Verletzungen, vor Hass. Oder etwas Schlimmeres als Hass: eine schreckliche,

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