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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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darauf das Gefühl von dringender Gefahr. Merriman war nicht anwesend, er hörte ihn nicht einmal in Gedanken — er wusste das, und doch blieb das Gefühl von dringender Gefahr, wie das Echo von etwas, was an einem anderen Ort geschah, weit entfernt. Will blickte in Gwions Gesicht und sah auch dort das Bewusstsein dieses Gefühls. Ihre Augen trafen sich.
    »Ja«, sagte Gwion. »Es wird Zeit. Ihr müsst euch auf die Reise zur Burg begeben, über das Land, das dazwischen liegt, und das habe ich, soweit es in meiner Macht lag, möglich gemacht. Aber ich kann euch nicht sagen, was euch unterwegs entgegentreten mag, noch kann ich euch davor schützen. Denkt daran, ihr seid im Verlorenen Land; es ist der Zauberbann des Landes, der hier regiert.« Er schaute besorgt hinüber zu dem fernen, schimmernden Turm am Horizont. »Seht euch jetzt genau den Ort an, zu dem ihr gehen müsst, und konzentriert euch darauf, ihn zu erreichen. Und dann kommt.«
    Sie schauten noch einmal auf den Lichtfinger, weit draußen im Dunst, und folgten dann Gwion die Treppe hinunter, zurück in den Leeren Palast, in dem jetzt kein König mehr lebte. Aber auch wenn der König nicht mehr da war — sie sahen jetzt, dass neben Gwion sich auch andere im Palast aufhielten und dass sie schon vorher da gewesen waren.
    Als sie die Mitte der Wendeltreppe erreicht hatten, öffnete Gwion in der Wand eine Tür, die Will vorher nicht aufgefallen war. Er führte sie eine andere Treppe hinunter, gerade und weniger steil, die mitten in den Palast führte. Dann hörten sie plötzlich vor sich ein leises Murmeln von Stimmen; sie befanden sich in einem länglichen holzgetäfelten Raum voller Bücher und Bücherborde und schwerer Tische.
    Es war die lange Galerie, der Raum, der wie eine Bibliothek aussah. Will richtete seine Blicke auf die Seitenwand und sah, dass dort immer noch Dunkelheit war, leerer Raum, in dem weder Licht noch Schatten zu sehen waren: das große Theater, in dem das ganze Leben wie ein Bühnenstück gespielt werden konnte. Andere Dinge jedoch waren nicht mehr so wie vorher. Es waren jetzt viele Menschen in dem Raum und füllten ihn mit warmem Stimmengewirr, und jeder, der aufblickte und die drei in der Tür stehen sah, lächelte oder hob grüßend die Hand.
    Sie gingen durch die Galerie, hinauf und hinab über die merkwürdig unterschiedlichen Ebenen des Bodens; viele Leute, an denen sie vorbeikamen, richteten ein paar Worte an Gwion, und in allen Gesichtern, die sich Will und Bran zuwandten, stand deutlich Wärme. Eine Frau berührte Will im Vorübergehen an der Schulter und sagte: »Ich wünsche euch eine gute Reise.« Als er erstaunt aufblickte, hörte er, wie ein Mann neben ihnen leise zu Bran sagte:
»Pob hwyl!«
    Bran flüsterte ihm zu:
»Viel Glück
hat er gesagt. Woher wissen es alle?«
    Will schüttelte verwundert den Kopf. Sie folgten rasch Gwions zierlicher, dunkel gekleideter Gestalt durch die Galerie. Am anderen Ende richtete sich ein Mann auf, der an einem Tisch über ein dickes Buch gebeugt gestanden hatte, und drehte sich um, als sie näher kamen. Er streckte eine Hand aus, um sie anzuhalten. Will glaubte, das Gesicht des Mannes wieder zu erkennen, den er bei ihrem ersten Besuch dieses Raumes angesprochen hatte: ein Mann, der ihn weder zu sehen noch zu hören schien und in einem Buch gelesen hatte, dessen Seiten leer waren.
    »Seht her, bevor ihr geht«, sagte er, und der singende Tonfall der Nordwaliser in seiner Stimme war ausgeprägter, als Will es bei Gwion oder sogar bei Bran gehört hatte. »Einen Teil dieses Buches müsst ihr sehen und euch merken.«
    »Euch merken ...«, sagte Gwion leise und sah sie an, und beide erinnerten sich. Das Buch lag aufgeschlagen vor ihnen auf dem schweren Eichentisch; auf einer sich rollenden Pergamentseite befand sich ein Bild, auf der anderen eine einzige Schriftzeile.
    Will starrte das Bild an. In einer stilisierten grünen Welt aus Bäumen und Rasenflächen, zwischen Beeten mit Rosen, die so leuchteten wie jene, bei denen sie auf den Reiter gestoßen waren, stand eine junge Frau, blondhaarig und in ein blaues Gewand gehüllt, und sah sie an. Ihr Gesicht war herzförmig, von feinen Linien gezeichnet und auf zarte Weise schön. Sie sah ernst aus; sie lächelte nicht, wirkte aber auch nicht traurig.
    »Es ist die Alte Dame!«, sagte Will.
    Bran sagte überrascht: »Aber du hast gesagt, sie sei sehr alt.« Er dachte einen Augenblick nach. »Es kommt natürlich darauf an, nicht?«
    »Es ist die

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