Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga
Tunnel, durch den sie gekommen waren, sondern wie ein weit entferntes Murmeln hoch in der Luft. Barney drehte sich um sich selbst und spähte vergeblich in das Dunkel. Der Raum, der ihn umgab, musste so groß wie ein Haus sein — und doch war er in den Tiefen von Kenmare Head.
Unentschlossen blieb er stehen. Die Kerze brannte herunter, sie war schon ganz weich. Der Gedanke an den hoch aufragenden Mann in seinem seltsam leeren Haus tauchte plötzlich wieder auf und damit auch das Gefühl der Bedrohung, die von ihren Verfolgern, vom Feind, ausging, der so verzweifelt bemüht war, sie an der Suche nach dem Gral zu hindern.
Barney zitterte vor Angst und vor plötzlicher Kälte. Es war, als umgäben sie ihn in der stillen Dunkelheit, böse und unsichtbar, und wollten ihn zwingen, zurückzugehen. Es rauschte in seinen Ohren. Obwohl die Höhle so groß und leer war, hatte er das Gefühl, dass etwas ihn niederdrückte, ihn zwingen wollte, sofort zurückzukehren. Wer bist du, dass du hier eindringst, schien die Stimme zu flüstern: ein kleiner Junge, der sich in etwas einmischt, das so groß ist, dass er es unmöglich verstehen kann, das für so viele Jahre ungestört geruht hat. Geh weg, geh zurück, dorthin wo du sicher bist, lass diese uralten Dinge in Frieden ...
Aber dann dachte Barney an Großonkel Merry, dessen geheimnisvollen Auftrag sie ausführten. Er dachte daran, was er ihnen zu Beginn gesagt hatte, an die Schlacht, die nie ganz gewonnen wurde, aber auch nie ganz verloren war. Und obwohl er nichts sah als Schatten, hatte er plötzlich ein lebhaftes Bild des Ritters Bedwin vor sich, mit dem das alles begonnen hatte, als der aus dem Osten nach Cornwall geflohen war. In voller Rüstung stand er vor Barneys innerem Auge und bewachte das, was König Arthur ihm anvertraut hatte. Er war von denselben Mächten gejagt worden, die jetzt ihn verfolgten. Und Barney erinnerte sich an die Sage, dass Bedwin auf Kenmare Head begraben war, direkt oberhalb der Höhle, in der er jetzt stand, und er hatte keine Angst mehr. Im Dunkel um ihn herum war jetzt nicht nur Angst, sondern auch etwas Freundliches.
Barney wandte sich also nicht zurück. Während er das kleine ersterbende Licht mit der Hand schützte, ging er weiter in das Dunkel hinein, in dem seine eigenen Schritte flüsternd widerhallten. Und dann hörte er über seinem Kopf ein Geräusch, das seltsamer war als irgendetwas, was er je gehört hatte.
Es schien aus der Luft von nirgendwoher zu kommen, ein heiseres, unheimliches Summen, sehr schwach und weit entfernt, und doch erfüllte es die ganze Höhle. Es schwankte auf und ab, der Ton war hoch und dann wieder tief, so wie der Wind, der in Bäumen oder in Telegrafendrähten singt. Als dieser Gedanke in Barney aufflackerte, hob er die Kerze hoch und sah, dass sich über seinem Kopf eine Art von Kamin öffnete, der so hoch hinaufreichte, dass man sein Ende nicht sehen konnte. Einen Augenblick lang glaubte er, oben einen Lichtpunkt sehen zu können, aber die Kerze blendete ihn, und er war sich nicht sicher. Dann merkte er, dass das Geräusch, das er hörte, vom Wind verursacht wurde, der weit oben über dem Loch zwischen den Felsen pfiff, die sie am Morgen gesehen hatten. Das Singen hier unten in der Höhle war das Singen des Windes über Kenmare Head.
Fast zufällig blickte er nach oben und entdeckte einen Felssims. Er ragte aus der felsigen Wand des Kamins heraus — ein Vorsprung unterhalb einer Höhlung, wie ein natürlicher Wandschrank und so hoch, dass er gerade hinlangen konnte. Darin war etwas, was den Schein der Kerze zurückwarf, etwas, was nicht Teil des Felsens war.
Er wagte kaum zu atmen, als er die Hand ausstreckte und fühlte, dass sie etwas Glattes und Rundes berührte. Es klang metallisch unter seinem Fingernagel. Er griff danach und nahm es herunter; Staub wirbelte auf und er musste blinzeln. Es war ein Gefäß, schwer und seltsam geformt. Aus einem dicken Fuß öffnete es sich zu einer Glockenform wie die Becher, die er in einem Buch über König Arthur abgebildet gesehen hatte. Er fragte sich, wie der Maler das hatte wissen können. Er konnte es kaum glauben, aber dies musste — endlich — der Gral sein!
Das Metall lag kalt in seiner Hand; es war verstaubt und sehr schmutzig, aber unter dem Schmutz schimmerte es mattgolden. Auf dem Vorsprung befand sich sonst nichts.
Plötzlich flackerte die Kerze auf. Das Wachs in Barneys Hand war weich und warm, und er erschrak bei dem Gedanken, dass er bald
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