Lichtjagd
verschwunden. Er hatte das vage Gefühl, dass er in einem der Nachbarhäuser verschwunden war, kurz nachdem die Soldaten erschienen waren. Und offenbar hatte er Osnat mitgenommen, denn auch sie war nirgendwo zu sehen.
»Wo sind Cohen und Osnat?«, fragte er Li. Es war das erste Mal, dass er den Mut aufbrachte, die Frau direkt anzusprechen.
Sie sah ihn an, als sei sie gerade erst seiner Existenz gewahr geworden und nicht besonders erfreut über die Entdeckung. »Cohen musste sich um ein paar Dinge kümmern.«
Arkady zuckte mit dem Kopf in Richtung der leeren Häuser und des Niemandslands, das seinem Wissen nach direkt dahinter lag. »Ist er … werden wir dort rausgehen?«
»Wahrscheinlich.«
»Werden wir nach Einbruch der Dunkelheit da draußen sein?«, fragte Arkady mit einem Blick auf die Taschenlampe an ihrer Waffe.
Sie lächelte behäbig. »Du solltest hoffen, dass es nicht dazu kommt.«
Die Einheit schien in dem Gebäude ein improvisiertes Hauptquartier eingerichtet zu haben. Arkady sah ein Dutzend weiterer Soldaten, ein Gewirr aus Kabeln und Geräten, eine Ansammlung eigenartiger, grünbrauner Koffer und Kisten – und drüben in einer Ecke, über einen Monitor gebeugt, Cohen und Osnat und einen jungen Mann, dessen Schulterabzeichen ihn als Hauptmann auswiesen.
Osnat hatte sich irgendwo eine Keramikweste, einen Helm und eine dieser abgestaubten, mit einer Taschenlampe versehenen Waffen besorgt, die Li und alle anderen trugen.
»Was ist mit ihm?« Li zeigte mit dem Daumen auf Arkady. »Ihr wollt ihn doch nicht nackt wie eine geschälte Auster reinschicken, oder?«
Ein verlegenen Schweigen entstand.
»Lieber Himmel. Sagt bloß nicht, dass keiner daran gedacht hat?«
»Na ja … äh … Avi hat ungefähr seine Größe«, sagte eine junge Frau mit dem Abzeichen eines Oberleutnants. »Jemand soll Avi holen.«
»Avi! Sofort herkommen!«
»Ich sagte, jemand soll ihn holen, nicht mir ins Ohr schreien. Mensch, diese Jugend heutzutage!«
Wie aus dem Nichts erschien über Arkadys linker Schulter ein großer, schlanker Soldat. Grobe Hände drückten ihn neben Arkady an die Wand und schoben sie aneinander. Ein kurzer Streit entbrach – keine Überraschung in einem Land, wo Streiten ein Nationalsport zu sein scheint. Dennoch war nicht zu leugnen, dass unter allen Angehörigen der Einheit der gertenschlanke Avi dem schmächtigen Körper des Weltraumbewohners Arkady noch am nächsten kam.
»He, Moment mal«, sagte Avi, als er begriffen hatte, was hier lief. »Nicht meine Weste! Nehmt jemand anderem die
Weste ab! Das ist keine Dutzendware aus der Fabrik. Meine Mutter hat alle Innentaschen neu angenäht und …«
»Nun«, erwiderte Li mit trügerisch sanfter Stimme, »wenn du dir wirklich solche Sorgen machst, dass deiner Weste etwas zustoßen könnte, darfst du gern mitkommen und darauf aufpassen.«
»… und, äh, ich bin mir sicher, dass es ihr eine Ehre wäre, wenn Arkady sie trägt. Wirklich. Hier, bitte. Mein Mist ist dein Mist.«
Der Junge leerte die Taschen seiner Weste in einen Beutel, den ihm jemand für diesen Zweck hinhielt, entfernte diverse abnehmbare Ausrüstungsteile und löste eine unverhältnismäßig scheinende Anzahl von Schnallen, Riemen und Klettverschlüssen, bevor er sich die Weste schließlich in einer zusammenhängenden, fast enttäuschend unspektakulären Bewegung über den Kopf zog und Arkady über den Kopf stülpte.
Die Weste fiel Arkady mit einem leisen, dumpfen Laut auf die Schulter und verströmte einen Geruch, in dem sich der normale männliche – und zum Glück relativ saubere – Geruch ihres Besitzers mit den scharfen Ausdünstungen von Schmutz, Maschinenöl und dem Khamsin mischte. »Sie ist ja so leicht«, staunte er.
»Mal abwarten, ob du das in fünf Stunden auch noch so siehst.«
Und als die Riemen angezogen und ihm die Weste fest auf den Körper geschnürt wurde, konnte er bereits die Keramikplatten fühlen, die sich ihm ins Fleisch drückten und mit den Kanten über die Haut scheuerten.
Als das Ding so fest saß, dass er sich darin völlig unwohl fühlte, trat der weibliche Leutnant zurück und musterte ihn von Kopf bis Fuß. »Na ja, das sollte alles außer deinen Eiern schützen«, sagte sie in einem zufriedenen Ton. »Und wie ich gehört habe, benutzt ihr eure Eier überhaupt nicht, also was soll’s? Na los, beweg dich mal ein bisschen.«
Arkady versuchte es. »Sie ist zu eng«, klagte er.
»Zu eng ist genau richtig. Wie der General zu der Hure
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