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Lichtjahre entfernt: Roman (German Edition)

Lichtjahre entfernt: Roman (German Edition)

Titel: Lichtjahre entfernt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Merkel
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Buch ist jetzt ins Englische übersetzt worden und auch in den USA erschienen. Der Kongress ist lediglich eine Ausrede, um nicht den Eindruck zu erwecken, ich wäre allein wegen ihr gekommen. »Vielleicht hänge ich noch eine Woche dran«, sage ich, als stünde der Zeitpunkt meines Abflugs nicht schon längst fest. Neurobiologische Erkenntnisse, die für das höhere Management zum Verständnis der Mitarbeiter von Bedeutung sein können. »Sie hätte dich auch gerne gesehen«, sage ich zu Mads Christiansen. »Aber sie hat zu viel zu tun.« Ein Faustpfand in unserem Machtkampf, in dem es nur um eins geht: New York oder Washington. Meine Stadt oder ihre Stadt. Tatsächlich habe ich mich der Illusion hingegeben, Judith würde Mads Christiansen wiedersehen wollen, den sie noch von seinen Besuchen in München kennt. Am Ende, aber das ist nur ein Verdacht, mag sie ihn vor allem deswegen, weil er schwul ist und weil sie die Phantasie durchspielen kann, es könne ihr früher oder später gelingen, ihn auch in erotischer und nicht nur emotionaler Hinsicht für sich zu gewinnen. Als er einmal bei uns zu Besuch ist, macht er ihr, während sie im Morgenmantel am Frühstückstisch sitzt, ein Kompliment. Sie sagt: »Es tut mir leid, aber ich bin noch gar nicht richtig angezogen und geschminkt.« Und während ich »macht nichts« gesagt hätte, sagt Mads Christiansen einfach: »Du bist doch so noch viel schöner. Du siehst doch so noch viel besser aus.« Sie legt ihr Buch umgedreht auf den Tisch, sodass die Sätze von Pruniers Darfur. Der uneindeutige Genozid kopfüber auf unserem 3500 Euro teuren Glastisch liegen. Das Licht der Designerlampe mit den schwarzen Holzlamellen fällt auf ihr Gesicht. Sie strahlt ihn an. Ganz verrückt nach mehr, nach mehr morgendlichen Verführungskunststücken. »Du bist so noch viel schöner.« Das Buch liegt noch Tage später aufgeschlagen auf dem Wohnzimmertisch. Mir schaudert bei der Erinnerung daran, selbst in Gedanken schrecke ich noch davor zurück.

    Hätten wir uns vielleicht ein anderes Wochenende aussuchen sollen? Jetzt, kurz vor meinem Abflug, habe ich den Ventilator wieder ausgestellt, da ich Angst habe, die Bruchstücke des Tongefäßes werden in alle Winkel der Wohnung verteilt. Ich packe das grüne Plastikkreuz ein und auch den Inhalator, den ich aus München mitgebracht habe. »Es sind zwei Wochen«, sage ich zu Lambert. »Sobald ich zurückkomme, machen wir einen Termin.« Ich spüre, wie das Gefühl der Kränkung und Zurückweisung von ihm Besitz ergreift und immer mehr Raum in ihm einnimmt. Er will unbedingt wissen, wo ich hinfahre. »Und warum können Sie mir das nicht sagen? Ist Ihnen das zu intim?« Es ist kurz bevor die Stunde auf so dramatische Weise eskaliert. »Sie vertrauen mir nicht. Glauben Sie denn, dass ich Ihnen hinterherfahre?« Judith hält sich am Haltegriff in der U-Bahn fest und lässt ihren Blick über die Gesichter der Mitreisenden wandern. »Schneller, schneller«, sagt ihr Blick, aber dann lächelt sie mich wieder an. Sie hat überhaupt keine Ahnung, keine Idee, wie schön sie ist. Sie hält sich am Griff fest, in der U-Bahn, auf dem Weg zum Busbahnhof, schwankt leicht hin und her und schaut auf den Kopf eines älteren Mannes, der die Augen geschlossen hat. »Komm doch einfach her«, sagt sie am Telefon. »Wir können das Wochenende doch auch in Washington verbringen.« Ich lasse mich nicht darauf ein. Ich stehe vor der Telefonzelle, das Summen des Verkehrs, den warmen nächtlichen Wind, die ganze Stadt im Rücken, und schüttele den Kopf. Es ist nur ein Wochenende. Es ist nicht der Rede wert, aber es geht schief. Und ich frage mich, was eigentlich genau passiert, was genau schiefgelaufen ist. Was ist in New York passiert, frage ich mich, während ich am Fenster der Wohnung in Williamsburg stehe und in das feuchtdunkle Grau des Himmels hineinschaue.

4
    Sie möchte alles kontrollieren, das Leben, ihre Gefühle. Sie möchte nichts dem Zufall überlassen. Es ist weniger ein Spaziergang als eine Bewährungsprobe. John F. Kennedy konnte keinen einzigen öffentlichen Auftritt ohne Schmerzmittel durchstehen, erklärt sie mir auf dem Spaziergang. Es hat ihr jemand bei der Arbeit erzählt. Seine Beine waren immerzu bandagiert, er trug orthopädische Schuhe und hatte ständig Durchfall, Prostata-Beschwerden und Harnweginfekte. »Findest du, dass er ein schöner Mann ist«, frage ich sie, während wir an der Divisionstreet vorbeigehen und die Gelegenheit verpassen, das

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