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Lichtjahreweit

Lichtjahreweit

Titel: Lichtjahreweit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
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an!«
    Kiyunati gesellte sich zu Gersson, der die automatische Winde bediente. »Viel Glück!« wünschte er leise.
    Rolff hob dankend die Hand und näherte sich dem Ufer, ein wenig unsicher, ein wenig taumelnd, wie wenn eine unsichtbare Faust gegen seine Brust hämmerte, ein substanzloses Etwas ihn zu zerreißen drohte oder der Boden sich aufwölbte; fühlbare Emissionen des Soltoniums dort unten im See, das blindwütig mit der Gravitation spielte und in gewissen Phasen, sobald Belsazars Sonne sich krümmte und zuckte, Gebirge zermahlen konnte.
    Der feine Staub schlängelte sich wie ein lebendes Wesen an Rolffs Beinen empor, erreichte die Oberschenkel, dann den Bauch, die Brust, den Hals dann
    SCHWÄRZE
    Nacht. Dunkelheit. Eine finstere Wand, undurchdringlich für Rolffs Augen, massiv und erdrückend wirkend, beängstigend.
    »Rolff?« Knarrte es aus dem Helmempfänger. »Rolff?«
    »Ja?« krächzte Rolff, räusperte sich, um seiner Stimme Festigkeit zu verleihen. »Alles in Ordnung, alles in Ordnung!«
    »Rolff? Melde dich! Warum sagst du nichts?«
    »Ich sagte, es ist alles in Ordnung!« wiederholte Rolff laut.
    Kiyunatis Stimme wurde leiser. Aus weiter Ferne drang sie an Rolffs Ohr. »Verdammt, Rolff, du sollst dich melden!«
    »Kiyunati!« brüllte Rolff, bewegte angestrengt seine Arme durch den sirupdicken Staubbrei, tastete sich zu den Kontrollen des Funkgeräts am Helmansatz empor, stellte den Sender auf höchste Abstrahlleistung. »Kiyunati, verstehst du mich?«
    Keine Antwort.
    »Kiyunati! Gersson!« Seine Schreie dröhnten in der Enge des Raumanzughelms.
    Stille.
    »Versteht ihr mich? Könnt ihr mich hören? Antwortet!«
    Nein, sie konnten ihn nicht empfangen – der Staub, das Soltonium … Er war abgeschnitten, auf sich angewiesen. Allein. Nur das dünne, aber dafür feste, dafür unzerreißbare Seil verband ihn noch mit der Oberfläche, mit dem Leben; eine künstliche Nabelschnur, die ihm inneren und äußeren Halt verlieh.
    Eine Welt aus Staub, aus Finsternis und Stille.
    Rolff erinnerte sich an einen Begriff, den er irgendwann, irgendwo einmal gehört hatte: Sensorische Deprivation – abgeschnitten von allen äußeren Eindrücken, reduziert auf die eigene Person …
    Wie tief? dachte Rolff. Wie lange?
    Viele Meter konnten es nicht sein, dafür war die Zeit zu kurz, die er in der Brühe schwamm, oder – woher konnte er wissen, daß sein Zeitgefühl ihn nicht trog?
    Ärgerlich vertrieb er die Gedanken. Es war gefährlich, sich selbst zu verunsichern. Und im übrigen – nach einer halben Stunde würden Gersson und Kiyunati ihn wieder hinaufziehen. Nein, kein Grund, sich Sorgen zu machen! Kein Anlaß, zu zweifeln.
    Und wenn er Glück hatte …
    Ein Ruck! Brutal, tödlich.
    Rolff wurde durcheinandergeschüttelt, fühlte, wie das Seil sich spannte, straffte, etwas an seinem Unterleib zog, und er betete und flehte, daß die Abschirmung seiner Raummontur ihn vor den tödlichen Gewalten der manipulierten Schwerkraft schützen würde. Undeutlich spürte er, wie der Staub in seiner Umgebung in Bewegung kam, wie der Druck der feinkörnigen Masse sich verringerte.
    Rolffs Herz klopfte hart und heftig.
    Hatte das etwas zu bedeuten? Waren die Schwerkraftschocks ein Zeichen dafür, daß sich ganz in der Nähe ein größerer Brocken Soltonium befand?
    ABER ER KONNTE NICHT SEHEN, NICHT HÖREN, ER KONNTE NUR WARTEN UND AUF EINEN ZUFALL HOFFEN.
    Überall der schwarze, rußige Staub. Überall Nacht.
    Und Rolff sank tiefer, langsam, ruckartig, aber er sank.
    Seine Atemzüge, so stellte er mit einem Anflug von Nervosität fest, gingen schnell, zu schnell. Er mußte sich beruhigen, seine Beherrschung wahren!
    Dann ein Stoß, ein heftiger, schmerzhafter Schlag gegen die Schulterblätter, und er bemerkte trotz der Dunkelheit, wie er abtrieb, sich zu drehen begann, kreiste, schneller und schneller rotierte, schneller, schneller, und ihm wurde übel, sein Magen revoltierte, pumpte saure Flüssigkeit in seine Mundhöhle.
    ES TAT WEH!
    ES VERWIRRTE IHN!
    Erneut ein Stoß, erneut ein Schlag.
    Ich hatte recht! hüpften seine Gedanken trotz der Schmerzen, trotz der Angst, des Grauens. Der Staubsee war voll Soltonium! Hier, irgendwo, ganz nah, so nah, daß die Schwerkraftschocks, die das Soltonium aussandte, sogar die dicke, fette Schutzschicht seiner Montur durchbrachen.
    Eine tiefe Furcht erfaßte Rolff, während er sich drehte, immerzu, immer rascher, immer schmerzhafter: Was geschah, wenn es zuviel Soltonium war? Wenn es ihn

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