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Lichtjahreweit

Lichtjahreweit

Titel: Lichtjahreweit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
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Kraken aus Beton, Stein, Glas und Plastik, dessen Arme vom Atlantik bis zum Ural, von der Nordsee bis zum Mittelmeer reichen. Jeder Ort sieht aus wie der andere, nur hier und da, abgeriegelt, ummauert, bewacht, gibt es ein paar Tupfer Grün, um die herum die Villen der Vermögenden, Wichtigen, Mächtigen stehen, aber sonst siehst du nur einen Wohnturm neben dem anderen, Straßen und Korridore, die ständig belebt sind, Robotfabriken, die vierundzwanzig Stunden lang hämmern und rattern und zischen und dampfen, überfüllte Geschäfte, schmutzige Gehsteige, Menschen, Menschen, Menschen, keine Sekunde Ruhe, niemals für sich allein sein, und weiter unten, in den Kelleretagen der Wohntürme und den vielen Slumgebieten ist all das noch viel schmieriger, lauter, stinkender, überfüllter, entsetzlicher.
    Das ist Europa. Und dann willst du zurück zur Erde? Wohin, Kiyunati, wohin?
    Eine andere Megalopolis? Briton? Nipponia? Ja? Möchtest du zurück in die Straßenschluchten von Nipponia? Siebzig Millionen Menschen eng zusammengedrängt, so daß du den Schweiß jedes einzelnen riechen kannst? Zurück zu dem Lärm der Stahlwerke? Zurück zu den Schreien der Mordsüchtigen, Kranken, Verrückten? Und zur Angst vor dem Tod in den unterirdischen Fußgängerzonen?
    Möchtest du das alles noch einmal erleben, so lange, bis du verfault und zu Dünger verarbeitet bist?
    Aber vielleicht hast du vor, nach Amerika zu gehen, an die Westküste, wo die Sperrgebiete sind? Da rate ich ab, Kiyunati, ich rate dir ernsthaft ab, denn es ist nicht angenehm, ununterbrochen einen Strahlenschutzanzug zu tragen. Die Unfälle damals, weißt du … Vierhundert Jahre sind eine kurze Zeitspanne, vom Standpunkt der Radioaktivität gesehen …«
    Kiyunati blieb stehen, tastete mit dem Detektor das Kratermaterial ab. »Du redest wie ein Abweichler, Rolff«, stellte er spöttisch fest. »Dabei ist doch allgemein bekannt, daß es in Australien und Zentralafrika noch genug Platz für Leute mit Geld gibt.
    Reine Luft, so klar, daß du deine Lunge bis zum Bersten mit frischem Sauerstoff füllen kannst und keine Rußflocke dein Hemd zerfrißt. Und man sagt, die Grundstücke dort seien so groß, daß die Häuser Hunderte Meter voneinander entfernt liegen? Und Flüsse, noch nicht überbaut, mit Wasser, das nicht stinkt! Ist das nichts, Rolff?«
    Gersson räusperte sich. »Warum streitet ihr euch?« fragte er. »Es ist doch gleichgültig, ob wir später nach Glimmer oder zur Erde gehen. Finden wir genügend Soltonium, dann stehen uns alle Wege offen. Wir können sogar fort von allem! Man baut schon Schiffe, die bis zum Mittelpunkt der Milchstraße fliegen sollen! Suchen wir uns einen Planeten, zweitausend Lichtjahre weiter, einen, der uns gefällt und der nur uns gehört!
    Man sagt, daß in den Plejaden …«
    Rolff begann schallend zu lachen. Er saß auf dem Kraterrand, den Vibrohammer und einen Haufen zerbröselter Felsbrocken neben sich, in dem ungefügen Raumanzug wie ein plumpes Stück Metall wirkend, und er lachte, daß die Helmempfänger klirrten.
    Gersson blickte ihn schweigend an.
    »Hat man Töne!« kicherte Rolff, hieb mit der behandschuhten Faust in den mürben Boden, trat gegen den Schutthaufen. »Ist das zu glauben? Kann das wahr sein?« Er schüttelte sich vor Belustigung, stemmte die Arme in die Hüften, bog und wand sich.
    »Was erheitert dich denn so?« fragte Gersson finster. »Ich verstehe nicht, was es da zu lachen gibt? Ein Schiff ist gar nicht einmal so teuer, wie man immer denkt. Wir brauchen ja keines zu kaufen, sondern uns nur eines von den großen Raumfluggesellschaften mieten, mit einer Flugbesatzung und genügend Ausrüstungsgegenständen und …«
    »Und?« äffte Rolff nach. »Ab nach den Plejaden, eh? Auf irgendeiner lächerlichen Welt landen und den Rest des Lebens in der freien Natur verbringen? Und mit deinen Werteinheiten wischst du dir den Hintern ab! Ist es das, was du dir erträumst?«
    »Was hast du daran auszusetzen?« brummte Gersson beleidigt. »So übel stelle ich mir das gar nicht vor. Man ist sein eigener Herr, und was man anpackt, schafft man, wenn man seinen Kopf anstrengt und sich auf die Kräfte seiner Arme verläßt, und man bekommt wieder das Gefühl, daß man lebt, menschlich lebt, so, wie es sein sollte …«
    »Ach, halt dein Maul! Halt dein verfluchtes Maul!« schrie Rolff unbeherrscht. »Ich wünschte, du wärst auf der Erde verreckt! Man male sich das aus! Man stelle sich das bildlich vor: Robinson Gersson,

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