Lichtpfade - Die Chroniken der Akkadier II (Gesamtausgabe)
im Inneren spürte. Er schmiegte seine Wange an ihre, strich daran entlang und vergrub die Schnauze in ihrem Fell. Und auch Naham schreckte vor der Berührung nicht mehr zurück und barg ihr Maul in seiner feurigen Mähne. Sie begann zu schnurren, endlich, und bescherte Elín eine Gänsehaut. Die Akkadia schloss die Augen und gab sich der Nähe zu ihrem Gefährten hin, fühlte seine Berührung auf der Haut und seinen Herzschlag in der Brust.
Da standen sie nun, völlig außer Kontrolle geraten, ihren Bestien erlegen, und konnten doch an nichts anderes denken, als den anderen zu liebkosen.
Elín hatte geglaubt, sie würde alles verlieren – in dem Moment, als sie die Beherrschung eingebüßt hatte, als der Hunger gesiegt hatte. Doch mit Ju an ihrer Seite wusste sie den einen wichtigen Hafen, den sie und auch ihr Tier brauchten, um zurück zu finden, um immer wieder aus der Schlucht nach oben zu gelangen – für das Wichtigste im Leben. Die Schnauze ins Fell des anderen zu schmiegen.
Elín lachte auf und rollte sich im Inneren ihrer Bestie zusammen.
Sie war zu Hause.
Kapitel 24
Thanjus Ohr zuckte, als er ein Geräusch vernahm. Das Schnurren der Bestie verstummte. Sie lauschte. War es Einbildung gewesen? Naham stupste Elíns Löwen an, der sofort verstand, dass etwas nicht in Ordnung war, und ebenfalls aufsah.
Was ist?, hörte er ihre Stimme in seinen Gedanken.
Wir sind nicht allein.
Jus Tier duckte sich und schlich zum ehemaligen Thron der Tarykkönigin – ein metallenes Monstrum, das auf einer Anhöhe stand und über fünf Stufen zu erreichen war. Das Geräusch ertönte von Neuem – eine Art Luftholen. Es konnte keine Bedrohung sein. Zumindest schlugen Thanjus Sinne keinen Alarm. Aber in seiner jetzigen Gestalt war auf das akkadische Gespür nicht wirklich Verlass. Naham diente zum Kämpfen, nicht, um schwierige Rätsel zu lösen.
Auf leisen Pfoten bewegte sich der Löwe um die Treppe des Throns herum nach hinten, wo sich eine Öffnung im Eis der Außenwände befand. Dahinter folgte ein schmaler Gang, der nur aus gefrorenem Wasser bestand und beinahe hellblau leuchtete, als würde er nur knapp unter der Erdoberfläche liegen, was unlogisch war.
Folge mir, sprach er in Elíns Kopf hinein. Aber leise!
Ich kann sehr wohl leise sein, wenn ich will!, behauptete sie gereizt, kam auf ihn zu und erzeugte mit ihren Klauen ein Klackern auf dem Granitboden, zuckte sogleich zusammen.
Ju sah zurück und schüttelte tadelnd den Kopf. Das höre ich!
Spiel dich nicht so auf! Woher soll ich wissen, dass ein Löwe mit den Krallen Geräusche macht?!
Er ließ das unkommentiert und betrat den eisigen Gang. Auf jeden Schritt bedacht kam er nur langsam vorwärts und ihm wurde ganz plötzlich etwas bewusst. Zum ersten Mal übte er auf Naham eine Kontrolle aus, die ihm sonst nur im menschlichen Körper gelang – er steuerte sie tatsächlich. Nicht aus Trieben heraus, sondern mit wohlüberlegtem Handeln, etwas vollkommen Unmögliches, etwas, woran jeder Akkadier scheiterte. Es sei denn –
Ju blieb stehen und drehte sich zu Elín um, die in geduckter Haltung durch den Gang schlich.
Natürlich.
Es war die Verbindung zu ihr. Dieses Band in seinem Inneren. Diese Einigkeit von vier Seelen, die einen derart erfüllenden Frieden hervorrief, dass Nahams Tobsucht erst gar nicht erwachte. Zumindest nicht ohne Anlass. Erstaunlich. Da glaubte er, nach tausend Jahren alles zu wissen. Doch diese Erfahrung war gänzlich neu für ihn.
Er spürte, wie sich seine Lefzen zu einem Lächeln verzogen, während Elín näher kam. Ihre Hörner waren zwar kleiner als seine, dafür aber kräftiger, mit einer geschwungenen Spitze. Die Mähne und ihr Fell schimmerten in einem kühlen Blond, reflektierten selbst das kleinste Licht und waren von glitzernden Goldfäden durchzogen.
Als sie bei ihm war, sahen ihn diese leuchtenden Augen neugierig an. Elín deutete ihm weiterzugehen und piekte mit einem ihrer Hörner in seine Flanke.
Lass das!
Doch sie lachte nur. Ein kindliches Gekicher in seinem Kopf.
Ju vernahm eine Bewegung und drehte sich ruckartig zurück. Am Ende des Gangs klaffte ein schwarzes Loch, ohne, dass der Akkadier hätte erkennen können, was darin verborgen lag. Er näherte sich, konzentriert auf seine Sinne, die ihm noch immer nicht ganz gehorchen wollten. Direkt hinter dem Ausgang schimmerte dunkles Metall auf dem Fußboden, als wäre er aus Eisen gegossen worden. Links befand sich eine Wand, die den gleichen Eindruck
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