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Lichtpfade - Die Chroniken der Akkadier II (Gesamtausgabe)

Lichtpfade - Die Chroniken der Akkadier II (Gesamtausgabe)

Titel: Lichtpfade - Die Chroniken der Akkadier II (Gesamtausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jordan Bay
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eiskalten Boden, hatte sie sich womöglich seit Tagen nicht bewegt. Und als Ju ihr Gesicht von der Seite sah, traf ihn die Erkenntnis wie ein Schlag.
    Sie war keine Fremde für ihn. Er kannte sie, zumindest hatte er das einst getan. Bevor ihr Leben von einem grauenhaften Leid überschattet worden war. Bevor sie über einhundertfünfzig Jahre in Assoras Gefangenschaft überlebt hatte und ein ums andere Mal gebrochen worden war – körperlich wie geistig. Sie war eine Kriegerin gewesen, stolz und unnachgiebig. Eine Amazone. Eine Akkadia aus Überzeugung.
    Doch als er Danica, die Mutter des Halbbluts, jetzt vor sich sah, begriff Thanju, dass sich ihr Leben nach der Befreiung aus Assoras Gefangenschaft vor drei Monaten nicht verbessert hatte. Dass sie die fürchterlichen Qualen auch heut noch erlitt. Dass sie womöglich nie wieder die Alte sein würde.
    Danica? Er dachte es so laut und entsetzt, dass die Worte durch den Raum huschten.
    Sie hob die geschlossenen Lider ein wenig und blickte vor sich her, atmete tief durch, als wäre sie aus einem langen Schlaf erwacht, und drehte ihren Kopf in seine Richtung. Die hellgrünen Augen wirkten matt, ihre Wangen eingefallen. Sie begegnete seinem Blick, schien ihn aber nicht wahrzunehmen.
    Danica, kannst du mich hören?
    „Ich kenne dich“, flüsterte sie schwerfällig.
    Thanju, versuchte er sie zu erinnern.
    Sie runzelte die Augenbrauen und blinzelte ein paar Mal. Plötzlich spannte sich ihr magerer Körper an, die Augen aufgerissen. „Wo ist er?“, schrie sie wie besessen, langte nach ihm und fiel vornüber, musste sich mit den Händen abstützen, um nicht auf dem Boden aufzuschlagen. „Wo habt ihr ihn hingebracht?“
    Wen meinst du?
    „Meinen Sohn!“ Ihr Gesicht verzerrte sich zu einer qualvollen Grimasse. Sie jammerte und stöhnte und fiel zu einem Häufchen Elend zusammen, schlang die Arme um ihren Oberkörper und weinte lautstark.
    Du hast ihn mit dir genommen, erinnerte sich Ju an das zweite Halbblut, an den Säugling, der die Schlacht an diesem Ort unbeschadet überstanden hatte.
    Danica riss den Kopf hoch und starrte ihn mit tränennassen Augen an, doch in Wirklichkeit sah sie durch ihn hindurch, auf einen Ort weit weg vom Hier und Jetzt. „Er ist nicht mehr da“, hauchte sie benommen. „Er ist verloren gegangen.“ Sie sackte zusammen und gab einen kehligen Laut von sich.
    Und Thanju merkte, wie sich die Gesichtszüge seines Löwen verhärteten. Er wusste nicht, was vorgefallen war. Doch er konnte sie unmöglich hier ihrem Schicksal überlassen. Nicht Danica. Nicht die Akkadia, die für fast jeden von ihnen ihr Leben riskiert hatte.
     
    Jolina ließ den Kopf nach hinten sinken und rutschte in dem hölzernen Badetrog noch etwas tiefer. Ein Berg von Schaum bedeckte die Wasseroberfläche und dampfte still vor sich her. Nur das Feuer im Kamin dieses orientalisch eingerichteten Zimmers erzeugte ein knisterndes Geräusch. Sonst gab es nichts. Außer ihren Gedanken.
    Sie würde mit dem König der Satoren zu Abend essen.
    Warum hatte sie sich darauf eingelassen? War es ihre Pflicht als Vertreter der Götterinsel? Neugier? Oder Mitgefühl, weil er sie gebeten hatte, wenigstens eine Nacht in seinem Heim verbringen zu können?
    Jolina wusste es nicht. Und das beunruhigte sie. Doch was sollte bei so einem Essen schon Außergewöhnliches passieren? Sie kannte solche Bankette. Hatte im Tempel der Ishtar des Öfteren allein mit ihrer Mutter an einer riesigen Tafel gesessen und klägliche Speisen zu sich genommen, ohne auch nur eines Blickes oder eines Wortes gewürdigt zu werden. Ein König mochte es ähnlich halten.
    Eine von Damans Zofen öffnete die knarrende Holztür und betrat das Gemach, das er Jolina zur Verfügung gestellt hatte. Ihr bronzefarbenes Haar kringelte sich in winzigen Locken um Schultern und Dekolleté. Überhaupt schien der König seine Dienerinnen üppig und mit tiefem Ausschnitt zu bevorzugen. Sie grüßte Jolina mit einem verschämten Kopfnicken, schloss die Tür und brachte einen Stapel Handtücher herein, legte diesen auf dem Sessel gleich neben dem Trog ab und lächelte.
    „Ich komme gleich noch einmal und bringe Eure Abendgarderobe.“
    Jolina horchte auf. „Verzeih, welche Abendgarderobe?“
    Die Zofe hielt inne. „Oh, nun, unser König meinte, ihr hättet womöglich nichts Passendes für den Abend und wollte Euch nicht kompromittieren. Deswegen bat er mich, Euch eine Auswahl an Roben zu zeigen.“
    „Aha.“ Sie überlegte. „Ich

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