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Lichtpfade - Die Chroniken der Akkadier II (Gesamtausgabe)

Lichtpfade - Die Chroniken der Akkadier II (Gesamtausgabe)

Titel: Lichtpfade - Die Chroniken der Akkadier II (Gesamtausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jordan Bay
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vor den Mund. Sie merkte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss.
    Toll gemacht, Elín!
    Als ob sie jetzt noch schlafen könnte.
     
    Sie beobachtet dich, sagte die goldfarbene Bestie ihm gegenüber und benetzte ihre Pfoten, um die Hörner zu säubern.
    „Sie ist noch ein halbes Kind!“, antwortete Ju grummelnd. Würde ihn dieses Tier jetzt jede Nacht heimsuchen?
    Natürlich werde ich das! Aber ein Kind? Wohl eher eine ebenbürtige Akkadia oder ist dir entfallen, wie schnell ihre Kraft gewachsen ist? Der Löwe schmunzelte. Hat mein lieber Dynast vergessen, mit welcher Kraft sie das Blut von deinen Fingern gesaugt hat?
    „Nein“, gab er heiser zu und wandte sich ab.
    Weißt du, ich habe dich heute zum ersten Mal, seitdem wir uns kennen, lachen gehört. Ich glaubte bislang, du hättest die Fähigkeit dazu gänzlich verloren. Aber es bedurfte nur einer jungen Isländerin, um deine innere Taubheit für einen Augenblick zu überwinden.
    „Seit wann kennen wir uns denn?“ Er verdrängte, welche Last in diesem kurzen Moment der Erheiterung von ihm gefallen war.
    Ohh, sagte die Bestie gedehnt. Schon sehr lange, Thanju. Aber da musst du schon selbst draufkommen. Wenn ich es dir verriet, würde all das hier, deine Träume, keinen Sinn ergeben.
    Ju schnaufte. „Als ob hier noch irgendetwas Sinn ergibt.“
    Das Tier schnalzte mit der Zunge. Wenn du das noch immer nicht erkannt hast, … bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als dich daran zu erinnern, wie es war, als du gewandelt wurdest.
    „Das gelingt dir nicht!“
    Dann sieh zu und lerne!
    Nur ein Augenzwinkern später schossen Bilder durch Jus Kopf. Er langte an seine Schläfen und versuchte den Druck zu mindern. Zwecklos. Alles, ganz und gar alles, was er ein Jahrtausend lang hinter Mauern versteckt hatte, kehrte mit einem Schlag zurück.
    Er stöhnte schmerzerfüllt.
    Das Jahr 904.
    China zur Zeit der Tang-Dynastie und Herrscher dieses Reiches war Zhaozong – Thanju, wie er in seinem letzten Jahr als Kaiser hieß.
    Mit Sorge sah dieser dem Kanzler Zhu Wen nach, der die Empfangshalle des Palastes eiligen Schrittes verließ. Seit sechzehn Jahren bekleidete Zhaozong dieses Amt. Jahre, in denen er Zhu Wen als Marionette gedient hatte. Jahre, die ihn hatten altern lassen, weniger äußerlich, mehr im Herzen.
    Thanju setzte sich auf den Thron, von dem aus er nie regiert hatte, nie wirklich, und fuhr mit den Fingern der rechten Hand durch seinen Spitzbart am Kinn.
    Regieren – was bedeutete das schon?
    Mit einundzwanzig Jahren hatte man ihn in dieses Amt erhoben, als Nachfolger eines Kaisers, der den Aufständen Huang Chaos zum Opfer gefallen war. In all dieser Zeit war es der Kanzler gewesen, der seinen Einfluss und seine Macht im Kaiserreich gefestigt hatte, nicht etwa er selbst.
    Und heute, zum ersten Mal, war Zhu Wen auf Widerstand gestoßen.
    Thanju hatte dem Kanzler verdeutlicht, dass er seine Machenschaften nicht länger dulden würde. Er hatte anderes für sein Volk gewünscht, Besseres, hatte die ganze Welt verändern wollen. Und nun würde ihm schon eine Winzigkeit genügen, ein kleiner Fortschritt.
    Der Kaiser hatte Zhu Wen gedroht, alle Leibeigenen freizulassen. Aus Frust, aus Sturheit, wo er mit siebenunddreißig Jahren doch wesentlich reifer sein sollte. Vermutlich hatte er ihn nur erzürnen und prüfen wollen.
    Blieb abzuwarten, wie der Kanzler reagieren würde.
    Thanju erhob sich und verließ die kaiserliche Halle durch eine der vielen versteckten Türen. Er schritt den Gang zu seinen privaten Gemächern entlang, vorbei an den roten und goldenen Schmuckbildern, vorbei an den Verzierungen, die er tagtäglich sah und doch nie als Zuhause empfunden hatte.
    Er stieß die Flügeltüren zum nächsten Raum auf und breitete die Arme aus.
    Li Zhu sprang vom Stuhl auf und stürmte in seine Umarmung.
    „Hast du es ihm gezeigt?“, fragte der Prinz und schlang die Arme um Thanjus Hals.
    „So darfst du nicht sprechen, mein Sohn!“
    Li Zhu lachte. „Aber hier hört mich doch niemand.“
    Der Kaiser setzte seinen einzigen männlichen Nachkommen ab und blickte ihn prüfend an. „Dessen solltest du dir nie sicher sein.“
    Er streichelte über den kleinen Haarknoten am Hinterkopf seines Sohnes, schickte ihn zurück zu seinen Schreibübungen und beobachtete ihn dabei, wie er mit herausgestreckter Zunge lernte.
    Die Bilder in Jus Kopf verlangsamten sich und kamen zum Stillstand.
    Er schaute auf seinen Sohn hinab, sein eigen Fleisch und Blut, und im dunkelsten Winkel

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