Lichtpfade - Die Chroniken der Akkadier II (Gesamtausgabe)
schreckte Elín hoch und fiel vornüber vom Bett runter.
Selene sprang auf. „Elín?“
Sie saß auf ihrem Hintern und starrte mit tränennassen Augen zu Selene, sah sich im Zimmer um und wirkte völlig desorientiert.
„Du bist in Sicherheit. Es ist alles in Ordnung.“
„Wer bist du?“, fragte sie auf Isländisch und Selene brauchte einen Moment, bis sie es verstanden hatte. Die Gabe, jede Sprache der Welt zu beherrschen, war selbst für sie noch ungewohnt.
„Ich heiße Selene. Ähm, du bist bei uns in Schottland. Ju hat dich hergebracht.“
Elín runzelte die Stirn, ihr Mund stand noch immer offen. Sie warf erneut einen Blick zur Seite und fragte schließlich: „Ju geht es gut?“
Selene überlegte kurz. „Ja?“
Langsam spitzte die Isländerin ihre Lippen. „Gut, gut“, sagte sie sehr langsam und schien nachzudenken. „Wie lang war ich denn weg gewesen?“
„Ähm, etwa anderthalb Stunden, denke ich.“
„Mhm“, nickte Elín, die Augen zu Schlitzen verengt. „Ja, und, wie sind wir innerhalb von anderthalb Stunden nach … Schottland gekommen?“
Jetzt verschlug es Selene die Sprache. „Na, Ju hat euch teleportiert.“
„Tele… Aha, so ist das.“ Sie nickte zögerlich und schien Selene kein Wort zu glauben.
Rovens Gefährtin lächelte. „Elín, hör zu. Tut mir leid, dass du so überrumpelt wurdest. Du hattest in Island wohl dein Bewusstsein verloren und Ju hat dich zur Sicherheit hierher gebracht – mittels Teleportation, was, falls du es noch nicht weißt, so ziemlich alle Akkadier beherrschen. Viel mehr haben mir die Männer auch nicht erzählt. Aber wir können gern nach unten gehen und sie selbst fragen. Es ist sowieso Mittagszeit.“
„Essen?“, seufzte Elín.
„Ja“, kicherte Selene. „Essen!“
„Ich bin dabei!“, rief sie, plötzlich ganz wach, und rappelte sich auf. „Wo geht’s lang?“
Selene ging lächelnd voraus, durch die Tür zum Flur und links herum Richtung Treppe. Und Elín folgte ihr mit großen Augen. „Siehst du“, begann Selene, drehte sich um und ging rückwärts weiter. „Alles wahr. Diese Burg heißt Avenstone und befindet sich im tiefsten Schottland.“
„Ich fasse es nicht.“
„Avenstone wurde vor gut hundert Jahren komplett restauriert und renoviert. Und seit ein paar Wochen bin auch ich stolze Bewohnerin dieses wunderschönen Heims.“
„Und mit wem lebst du hier?“
„Mit Roven, meinem Marasch. Ihm gehört die Burg.“
„Marasch?“ Elín zog die schmalen blonden Brauen zusammen.
„Oh, entschuldige“, bat Selene. „Die alte Sprache lernt man ja erst nach und nach. Marasch bedeutet Mein Gefährte.“
„Hui, hört sich ziemlich verbindlich an“, grinste Elín mit einem Augenzwinkern.
„Ja, das ist es.“ Selene nickte. „Es ist für die Ewigkeit. So handhabt man Liebe bei den Akkadiern.“ Jetzt musste sie unweigerlich lächeln und drehte sich mit einem vertrauten Flattern im Bauch wieder um, blieb vor den Stufen der Freitreppe stehen und ließ Elín die Aussicht auf die weite Eingangshalle begutachten, die auch Selene bei ihrem ersten Besuch so beeindruckt hatte.
Im Keller der Burg betrachteten Thanju und Roven die Karten, die Jason, Rovens Assistent, ihnen gerade ausgedruckt hatte. Auf dem dunklen Holztisch verteilt und aneinandergelegt gaben sie einen guten Überblick auf das Gebiet rund ums Hochland.
„Ich kann auch noch weiter Richtung Küste gehen“, rief der Junge ihnen zu, ohne von den drei Monitoren wegzusehen, auf denen sich immer mehr Daten und Satellitenbilder von Island ansammelten. Er wippte in seinem schwarzen Drehstuhl vor und zurück, nahm die geöffnete Milchpackung zur Hand und trank daraus.
Dieser Raum des Kellers war als einziger ausgebaut worden, mit einem anthrazitgrauen Marmorboden verlegt und sandfarbenen Steinen verkleidet – die Einrichtung modern. Ganz anders als die restlichen Gewölbe. In unzähligen Gängen dieser Katakomben fanden sich Kerkerzellen und Erdhöhlen wieder, von denen keiner so recht wusste, wo sie endeten.
„Was meinst du?“, fragte Roven mit grimmiger Stimme, während er auf die ausgebreiteten Blätter starrte, und gab Jasons Vorschlag an Ju weiter.
„Das ist nicht nötig.“
Der Akkadier hatte dem Schotten von den Leichen erzählt, von dem Zusammentreffen mit dem Halbblut nur ein paar Stunden zuvor, und beide waren sich einig gewesen, dass sie etwas unternehmen mussten. Und dass diese Vorkommnisse vermutlich miteinander zusammenhingen.
Ju zeigte auf einen
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