Lichtpfade - Die Chroniken der Akkadier II (Gesamtausgabe)
Staubwolke auf dem Pfad, der den Mauern der Stadt folgte. Sie konnte eine Art Brüllen hören, aber es klang metallisch. Und aus dem Dunst schoss ein schwarzes Gefährt hervor, eines, wie sie es zuvor nur auf Erden gesehen hatte. Die vier Räder des Automobils fraßen sich mit tosendem Lärm durch den Sand.
Als Jolina darum gebeten hatte, ihre Abreise so unauffällig wie möglich zu gestalten, hatte sie definitiv etwas anderes im Sinn gehabt.
Schlingernd kam der Wagen genau vor ihren Füßen zum Stehen – Daman grinste durch das Fahrerfenster zu ihr herüber. Aus dem Inneren schallte Musik der letzten Fünfziger.
„Im Namen der Götter“, sagte sie fassungslos.
„Die Götter kannst du mal schön zu Hause lassen, Mädchen. Die können dir jetzt auch nicht mehr helfen.“ Er nahm seine Sonnenbrille ab, legte sie beiseite und zwinkerte ihr zu. Seine Zähne waren noch immer spitz und die Augen genauso silberfarben, wie Jolina sie in Erinnerung hatte, doch der Rest hatte sich verändert. Scheinbar gehörte die Aufmachung, in der sie ihn im Tempel der Nihren gesehen hatte, nicht zu seiner alltäglichen. Die Haut pulsierte nicht mehr schwarz, sondern hatte eine schon fast normal wirkende Bräunung angenommen. Und auch die Hörner waren wesentlich kürzer, ragten kaum noch aus der Elvistolle seines schwarzen Haares hervor. Er trug ein lockeres, dunkelgraues Hemd und eine hellblaue … Jeans?
Zusammen mit dem Fahrzeug wäre er im Reich der Sterblichen kaum aufgefallen.
„Wo hast du den bloß her?“
„Vom Gebrauchtwagenhändler“, antwortete er beiläufig und zuckte mit der Schulter.
„Ist es nicht verboten, Dinge von der Erde mit nach Enûma zu holen?“
„Ehrlich?“ Er warf seinen Kopf nach hinten und lachte auf. „Oh je, hätte ich das nur vorher gewusst. Spring rein, Baby. Bevor dich noch jemand sieht.“
Jolina drehte sich erschrocken um. Doch dort war niemand.
Niemand, der sie aufhielt.
Niemand, der nach ihr suchte.
So sollte es auch sein, erinnerte sie sich, und ging um das Fahrzeug herum. Am Kühlergrill prangte die metallene Figur eines rennenden Pferdes. Jolina war überzeugt davon, dass dieses Automobil ein älteres sein musste. Sie öffnete die Beifahrertür, warf ihre Tasche auf den Rücksitz und nahm schließlich Platz – in weichen, hellen Ledersitzen, die gemütlicher waren, als erwartet.
„Alles klar?“, fragte er und setzte die Sonnenbrille wieder auf, in deren gläserner Oberfläche sich die frühe Sonne spiegelte.
Sie wusste es nicht. Sie wusste gar nichts mehr. Sie wäre am liebsten aus dem Auto gesprungen und zurück nach Hause gelaufen. Doch das Bild in ihrem Kopf von Noahs eisernem Blick bestätigte sie in ihrer Entscheidung.
„Ja“, sagte sie schließlich, und Daman ließ den Motor aufheulen. Der Wagen hob sich vorne an und beschleunigte dann gnadenlos auf den Sonnenaufgang zu, während ein Lied von Elvis aus den alten Boxen drang.
Kapitel 11
Man sagt, in Träumen könne man keinen Schmerz empfinden.
Man sagt auch, wenn man von seinem eigenen Tod träume, habe dies keine Auswirkung auf das reale Leben.
Doch was Elín in diesem Moment durchmachte, passte nicht zu dem, was man so sagte. Trotzdem hoffte sie, dass sie träumte – alles andere wäre nicht auszuhalten.
Sie krümmte sich nach vorn, als ein weiteres Schwert durch ihren Bauch gestoßen wurde, ihr Fleisch und ihre Organe zerschnitt und an ihrem Rücken wieder austrat. Die Schmerzen waren unbegreiflich, ihr ganzer Körper krampfte. Sie hätte in Ohnmacht fallen sollen, doch das geschah nicht.
Elín kam zuckend auf ihren Knien auf, versuchte Luft zu bekommen, aber ihre Lungen funktionierten nicht, schienen blockiert. Sie hatte den Mund aufgerissen, doch noch nicht mal ein Schrei gelang ihr. Stumm rannen brennende Tränen an ihren Wangen hinunter, als sie mit zitternden Fingern nach dem Metall tastete und ihre vom Schock geweiteten Augen nach unten blickten. Der Griff, der aus ihrem Körper ragte, war erschreckend schön. Aus Gold geschmiedet umrankten ihn königliche Muster und Edelsteine. Dass Elín trotz der Situation so empfand, schürte weitere Hoffnung in ihr, alles wäre nur ein Traum.
Mit verschwommener Sicht legte sie ihre Hände an den Griff der Waffe und erkannte, dass dies nicht ihre eigenen Hände waren, sondern die eines Mannes – blutverschmiert und kräftig.
Von hinten drängte sich das nächste Schwert durch ihren Leib. Elín beugte sich keuchend zurück, rang panisch nach Luft. Doch
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