Lichtpfade - Die Chroniken der Akkadier II (Gesamtausgabe)
Gott!Natürlich. Auch die anderen konnten ihren Duft wahrnehmen. Elín schoss die Röte ins Gesicht. Sie schlug Ju auf den Arm. „Kannst du mich nicht vorwarnen?!“, rief sie flüsternd.
„Komm!“, lachte er. „Da müsstest du mittlerweile allein draufkommen.“
„Und was mach ich jetzt?“
„Na, ein schönes dummes Gesicht!“, antwortete er.
Elín blieb der Mund offen stehen. „Das hast du gerade nicht gesagt!“
„Meinetwegen. Dann habe ich das eben nicht gesagt.“ Er grinste selbstgefällig und sie boxte ihn erneut. Diesmal härter. Er lachte noch lauter.
Elín wollte gerade auf seinen Rücken einschlagen, als er ihre Hände mit seinem eisernen Griff auffing. „Übertreib es nicht, Akkadia!“ Seine Stimme klang drohend, doch er meinte es nicht so. Dafür wirkte sein Gesicht viel zu amüsiert.
„Dann hör auf, mich zu ärgern!“
„Seid ruhig!“ Roven meldete sich flüsternd zu Wort. Er und Selene waren in die Hocke gegangen.
Ju zog Elín augenblicklich mit nach unten und hielt ihr eine Hand vor den Mund, als sie fragen wollte, was los wäre. Alle schauten gebannt in die Ferne, wo sie selbst nichts erkennen konnte. Thanju sah sie an, doch sie zuckte nur mit den Schultern. Er nahm ihre rechte Hand in seine, bis sie das Kribbeln wieder spürte, und deutete mit der linken auf ihr Herz und ihren Kopf.
Sie konzentrierte sich auf die Atmung und versuchte, in sich hineinzuhören. Langsam schärfte sich ihr Blick. Ju nickte zufrieden und zeigte auf das vor ihnen liegende Feld.
Plötzlich konnte sie Bewegungen erkennen – schwach und viel zu dunkel, mindestens zwei Kilometer entfernt. Dort schienen mehrere Männer zu sein, die etwas in ihrer Mitte umkreisten.
Elíns Sicht wurde heller.
Es handelte sich um bestimmt zwanzig Taryk. Und was sie mit gezogenen Waffen umzingelten, war das Halbblut.
Ju beobachtete die Szene mit einer ungewohnten Beklemmung.
Nicht nur, dass die Akkadier auf das Halbblut Jagd machten, selbst seine eigenen Leute wollten ihn aus dem Weg schaffen. Es war ein Ausgestoßener, hatte keine Heimat, keinen Platz in dieser Welt. Es kannte nur den Hunger, den es weder mit Seelen noch mit Blut stillen konnte, hatte keine Mutter und war von seiner Königin verlassen worden.
Es tat ihm leid. Das erste Mal, dass Thanju für einen Feind Mitgefühl empfand.
Doch, was ihn am meisten beeindruckte, war der Mut, mit dem sich das Halbblut den Angreifern stellte. Es rannte nicht davon, löste sich nicht auf. Es blieb an Ort und Stelle und wartete. Vielleicht sogar darauf, dass sie ihn töteten.
Elín schüttelte entsetzt den Kopf, als sie verstand, was dort vor sich ging. Selbst Selene drehte sich zu ihnen um, hatte einen gequälten Ausdruck im Gesicht.
Sie sah ihren Gefährten an.
Aber Roven schien anderer Meinung zu sein. Wenn das Halbblut durch die Waffen der Taryk starb, konnte ihm selbst niemand einen Vorwurf machen. Er müsste den Taryk nicht zu Jolina bringen und dürfte die Hinrichtung von Selenes Mörder mit ansehen.
Die Akkadia ergriff Rovens Arm. Selene musterte seine verhärtete Mimik und schüttelte den Kopf. Sie wollte ihrem Mörder nicht beim Sterben zusehen, war ihrem Gefährten, was Vergebung anbelangte, weit voraus.
Roven holte sichtbar Luft und ergab sich ihrem Blick. Er nickte wenig begeistert und signalisierte Ju mit Handzeichen, nach links auszuschwärmen. Er und Selene würden von rechts angreifen. Der Tibeter bestätigte und zog seine Isländerin so leise wie möglich mit sich in den angrenzenden Wald hinein.
Sie streiften vorsichtig durch die Bäume hindurch, näherten sich dem Geschehen. Er konnte Elíns Herz schlagen hören, so sehr hatte es seinen Rhythmus beschleunigt. Als sie eine gute Ausgangposition erreicht hatten, hockten sich beide wieder hin. Er deutete fragend auf seine Dao, doch Elín wollte keins. Ju zog ihre menschliche Hand ins Sichtfeld, um ihr klar zu machen, dass sie nicht kampfbereit war.
Elín lächelte wissend und küsste ihn. Überraschend. Warm und einladend. Er schloss die Augen und genoss die zaghafte Berührung, ließ seine freie Hand in ihren Schritt gleiten und streifte fast unmerklich über ihre Scham. Sie ließ erschrocken von ihm ab und holte Luft. Ihre Augen glommen auf, die Krallen traten hervor. Ju nickte, holte den Gùn vom Rücken und ging in Angriffsstellung.
Seine Akkadia lauerte auf allen Vieren, als würde sie gleich zum Sprint ansetzen. Ihre Krallen gruben sich in den Erdboden. Im Mondlicht konnte er die Fänge
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