Lichtraum: Roman (German Edition)
sagte er mit bleichem, schweißnassem Gesicht, »nehmen Sie jetzt mit den anderen Verbindung auf. Es spielt keine Rolle, wenn Sie die Funkstille brechen. Wir müssen nur wissen, ob sie bereits in Position gegangen sind.«
Corso stellte Kontakt mit Nancy Schiller her, die kurz Bericht erstattete. Dann bat er sie, sie solle Ray Willis zu ihnen schicken.
»Auf dem ganzen Weg bis zur Rückseite des Rades ist ihnen niemand begegnet«, berichtete er Martinez und Lamoureaux. »Aber von der anderen Seite ist die Brücke ebenfalls verriegelt.«
»Wieso brauchen wir Willis hier?«, fragte Lamoureaux verdutzt.
»Falls Sie es noch nicht bemerkt haben, wir sind jetzt ein Mann weniger«, entgegnete Corso. »Ohne Willis bin ich hier der Einzige, der unverletzt und bewaffnet ist. An der hinteren Seite der Brücke sind drei Leute postiert, also können sie Ray leicht entbehren.«
»Nun ja«, warf Martinez ein bisschen mühsam ein, »langsam fange ich an zu glauben, dass viel weniger Leute an Bord sind, als wir dachten.«
»Vielleicht haben sich noch etliche Crewmitglieder über das ganze Schiff verteilt«, überlegte Lamoureaux. »Hier gibt es Platz genug, um sich zu verstecken.«
»Nein, ich vermute stark, dass sich die gesamte Besatzung hinter dieser Tür verbarrikadiert«, ächzte Martinez und stemmte sich ein wenig höher. Er wirkte immer blasser und mitgenommener. »Ich werde versuchen sie zu überreden, uns reinzulassen.«
Martinez öffnete eine Kommandofrequenz zur Brücke. Als er sprach, nahm seine Stimme ein tieferes, festeres Timbre an.
»Commander Eduard Martinez an alle, die sich derzeit auf der Brücke der Mjollnir befinden. Bitte antworten Sie.«
Eine fremde Stimme meldete sich über ihre gemeinsame Leitung. »Ich höre Sie, Mister Martinez. Hier spricht Luis Simenon, amtierender Commander. An die Mitglieder des Entertrupps. Sie begehen einen Akt der Piraterie, und ich fordere Sie auf, Ihre Waffen unverzüglich niederzulegen.«
»Luis, Sie müssen die Tür öffnen. Wir sind in der Überzahl, und eine Crewfrau haben Sie bereits verloren.«
»Soweit ich weiß, Sir, hatte man Sie wegen Aufwiegelung
verhaftet. Das heißt, dass Sie nicht mehr über die Autorität verfügen …«
»Mr. Simenon!«, donnerte Martinez. »Die Mjollnir steht immer noch unter meinem Kommando. Um das zu ändern, bedarf es einer besonderen Plenarsitzung des Senats, und ich kann mich nicht entsinnen, dass eine solche stattgefunden hätte. Was bedeutet, dass ich das Recht habe, mein Schiff, das ich kommandiere, wann immer ich will zu betreten, und trotzdem haben Ihre Leute auf mich und meine Männer geschossen. Egal, welche Erklärung Ihnen dazu einfällt, sie dürfte sicher hochinteressant sein.«
Simenon schwieg mindestens eine halbe Minute lang, und als er sich dann wieder meldete, klang seine Stimme kühl, aber mit einem verhaltenen, sogar leicht bedauernden Unterton. »Ich erhielt meine Befehle direkt vom Sicherheitsdienst des Senats, Commander. Das war auch der Fall, als ich Sie Ihres Kommandos enthob. Schnelle Eingreiftruppen sind hierher unterwegs, deshalb schlage ich vor, dass Sie und Ihre Männer sofort die Waffen niederlegen. Andernfalls müssen Sie mit Konsequenzen rechnen.«
»Er hat die Leitung gekappt«, verlautbarte Martinez einen Augenblick später.
»Sagt er die Wahrheit?«, fragte Corso.
»Was die Verstärkung betrifft? Ganz bestimmt. Es gibt hier ein paar Orbitalplattformen, von denen Polizeiboote im Nu starten können, außerdem halten sich am Boden taktische Teams in ständiger Bereitschaft.« Mit einem Kopfnicken deutete er auf einen Schirm, der bündig in die Tür integriert war. »Helfen Sie mir, dorthin zu kommen. Mal sehen, ob ich uns durch diesen Eingang bringen kann.«
Corso schob einen Arm unter Martinez’ Schultern und half ihm herüber zur Tür, gerade als Ray Willis eintraf, sein Gewehr über eine Schulter geschlungen. Er schnappte schwer nach Luft,
da er von der anderen Seite der Brücke den ganzen Weg um die Zentrifuge gerannt war.
»Ich sah eine Leiche«, keuchte Willis. »Gab es …« Er unterbrach sich, als er einen Blick auf Martinez warf.
»Ja, es gab ein paar Probleme«, sagte Corso.
Willis nickte, immer noch außer Atem. »Die Tür auf der anderen Seite ist ebenfalls verriegelt, aber wir haben unterwegs niemanden getroffen. Nancy hält sich bereit, die Tür auf Ihr Signal hin aufzusprengen.«
Corso nickte und überprüfte sein Impulsgewehr. Die Batterie war nur noch zur Hälfte geladen.
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