Lichtschwester - 8
unerbittlich und horchte mit einemmal dem Klang ihrer Stimme nach. Hatte darin nicht auch eine andere Stimme mitgeklungen?
Ressa fuhr mit den Fingern über ihr weinrotes Muttermal, das ihr halbes Gesicht bedeckte. Zornestränen schossen ihr in die Augen.
»Was ging es denn mich an, was er den anderen antat?« fragte sie aufschluchzend. »Für die war ich doch immer nur ein Spaß für eine Nacht oder Zielscheibe ihres Spottes gewesen. Und ich wußte, was man sich über die Tierleute erzählte. Daß jeder Mensch nach ihrem Biß wie sie wird und daß sie einen makellosen Leib haben. Haldan war ohne körperlichen Makel. Und er schwor mir, mich nach Dreyans Geburt ebenso makellos zu machen.« Nun wandte sie den Kopf, nach links, wie immer, und fuhr mit stumpfer Stimme fort:
»Ich habe ihm geglaubt… Erst später dann habe ich mich gefragt, wieso er denn ein Kind brauchte, um einen Stamm zu gründen, wenn er doch jeden Menschen in seinesgleichen verwandeln konnte.«
»Dann hast du ihn also verlassen, als dir klar wurde, daß er dich hintergehen wollte?« fragte Sharik in eisigem Ton. Aber Ressa sah auf und blickte ihr fest in die Augen.
»Ich verließ ihn, damit er meinen Sohn nicht töten konnte.« Da wußte Sharik, daß dies die Wahrheit war. Sinnend betrachtete sie Dreyan, der böse um sich sah. Wieviel an ihm war menschlich? Und wieviel von seinem Vater lauerte hinter diesen unschuldigen blauen Augen ? Aber darauf kam es nicht an. Dieser Junge war ohne Schuld, zumindest bis jetzt, und das Gelübde, das sie getan, war eindeutig.
»Im Namen der Großen Beschützerin«, schwor sie, »ich werde deinen Sohn beschützen.«
Da fiel alle Spannung von Ressa. Sie sank etwas in sich zusammen und flüsterte: »Ich danke dir, Falkin!«
Danke lieber deinem Sohn, dachte Sharik unwirsch, als sie nun die Küche verließ.
Sharik trat in den verschneiten Hof und sah sich genau um. Sie konnte Haldan nirgendwo entdecken, nicht die Spur von ihm, war sich jedoch sicher, daß er sie beobachtete. Langsam ging sie ein paar Schritte in den Hof hinaus und blieb dann abwartend stehen.
Der Sturm hatte sich gelegt und war zur Brise geworden. Aber auch die drang ihr noch so eisig durch den allzu dünnen Umhang und das fadenscheinige Kleid Ressas, das sie jetzt anhatte, daß sie eine Gänsehaut bekam. Das Haar hatte sie sich zum Knoten gebunden und unter der Kapuze verborgen, und die linke Gesichtshälfte hatte sie sich rot bemalt. Und in den Armen hielt sie ein längliches Bündel - ein in Dreyans Decke gehülltes Holzscheit -, das auch den Dolch in ihrer Hand verbarg.
Der hölzerne Dolchgriff war trotz der Kälte schweißnaß. Wenn ich nur mein Schwert hätte mitnehmen können! dachte Sharik. Aber ihre Verkleidung war schon fragwürdig genug und würde keinen täuschen, der sie länger in Augenschein nahm. Das Schneetreiben und auch der ihrem Gewände anhaftende Geruch Ressas müßten ihr erlauben, auf Dolchweite an Haldan heranzukommen, ehe er sie erkannte und sich der Gefahr bewußt würde. Aber das hieß, daß sie verdammt nah an ihn herankommen mußte! Sie hatte diese ganze letzte Stunde damit verbracht, Ressa über ihren Mann auszufragen, um einen Hinweis auf etwas zu bekommen, das sie gegen ihn nutzen könnte. Zum Glück hatte er seiner Frau nicht nur seine Macht und Stärke, sondern auch auch einige seiner Schwächen geschildert. Er war also verwundbar. Durch Silber natürlich. Aber das half ihr nun nicht weiter. Da müßte sie dem Bastard schon ein paar Silbermünzen in den Schlund stopfen können.
Feuer ging auch nicht. Mit Stahl wäre es möglich, aber nicht ohne weiteres. Denn bei den Tierleuten heilten Hieb- und Stichwunden anscheinend sehr schnell. Haldan hatte gegenüber Ressa geprahlt, er könne jede ihm mit Stahl beigebrachte Wunde, die ihn nicht auf der Stelle töte, ignorieren. Einen Gegner wie ihn konnte man mit einem Dolch nur an wenigen Stellen tödlich verwunden, und um die nun zu treffen, müßte sie hautnah an ihn herankommen.
Schade, daß Ressa nicht mehr Mut gehabt hatte! Sie hatte doch oft genug Gelegenheit gehabt … hätte ihren Mann jederzeit im Schlaf töten können und damit allen viel Leid … Ein Lichtschein unweit voraus ließ Sharik aufschrecken. Sie faßte den Dolch fester und beobachtete gespannt die zwei Gestalten, die aus dem Dunkel traten und sich ihr bis auf zehn Schritt näherten. Haldan hatte Trin die Hände auf den Rücken gefesselt. Sie schien durchgefroren und rasend vor Wut, aber
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