Lichtschwester
Markt kennengelernt, nur Stunden nachdem jeder von ihnen mit einem Fluch belegt worden war - und waren seitdem gute Freunde und Partner gewesen.
Nun, nach dem Tod Cadmons, hatte sie eigentlich erst so richtig
gemerkt, wie schlimm der auf ihr liegende Fluch war.
»Das Problem ist nicht, daß ich kurz vor dem Verhungern
stünde«, sagte sie zu Lythande. »Cadmon und ich waren uns im-
mer bewußt, daß einer von uns eines Tages allein dastehen könnte,
und wir haben deshalb einiges auf die hohe Kante gelegt. Was also
meine Finanzen angeht ... da brauchte ich für den Rest meines
Lebens nicht mehr zu arbeiten. Aber was sollte ich sonst tun? Mir
liegt es einfach nicht, bloß herumzusitzen und die Hände in den
Schoß zu legen! Aber ohne Cadmons Gläser ist es für mich sinn-
los, noch weiter Kerzen zu fabrizieren. Ich hätte sogar Schwierig-
keiten mit dem Wachsschmelzen. Ich kann zwar noch ein Feuer
anzünden und am Leben erhalten«, erklärte sie, »aber nur in dem
Ofen, den Cadmon mir gemauert hat... und der nützt mir natür-
lich nichts, wenn ich in kalten Nächten unterwegs bin. Ich trau
mich nicht einmal, mich hier ans Kaminfeuer zu setzen, aus
Angst, es damit zum Erlöschen zu bringen. Mir ist jetzt ständig
kalt, und ich fühle mich ganz schrecklich dabei.«
»Das kann ich mir gut vorstellen ...«, sagte Lythande mitfühlend.
»Aber was führte dich hierher?«
»Das war Alnaths Idee«, gestand Eirthe. Bei Lythande brauchte sie
wenigstens nicht zu befürchten, für verrückt gehalten zu werden,
weil sie dem Rat einer Salamanderin folgte. »Sie hat gemeint, ich
könnte beim Herzen des Feuers, dem Vulkan hier, vielleicht Hilfe
finden.«
»Hat sie auch gesagt, wie?« fragte der Zauberer.
»Nein, das nicht ...«, sagte Eirthe achselzuckend. »Aber wer kennt das Feuer denn besser als ein Feuergeist?«
»Da ist sicher etwas dran«, murmelte Lythande. »Du hast natür-
lich mein ganzes Mitgefühl, aber du brauchst sicher auch handfesteren Beistand. Was willst du also von mir?«
»Du sollst mitkommen und mir den Weg zum Vulkan bahnen. Da ist so auf halber Höhe eine für mich unüberwindliche Barriere ...
Ich bin heute nachmittag darauf gestoßen.«
Lythande runzelte die Augenbrauen, daß der blaue Stern auf sei-
ner Nasenwurzel Falten schlug. Er überlegte kurz und traf dann seine Entscheidung: »Es sind noch viele Dinge vor der letzten
Schlacht zwischen Recht und Chaos zu erledigen, und das hier gehört sicher dazu ... Wir werden dieses Hindernis gleich morgen früh einmal in Augenschein nehmen.«
So stand Eirthe also im Frühlicht wieder, und wieder mit Alnath
auf der Schulter, vor dieser unsichtbaren Barriere und verfolgte
gespannt, wie Lythande das Zauberwerk behutsam abtastete. Und
mit einemmal lachte der Magier auf und steckte einen Finger hin-
durch. »Ich kann nicht sagen, daß ich von diesem Ding hier viel
hielte«, spottete er. »So etwas würde ich als Weidezaun aufstellen,
damit die Schafe nicht die Klippen hinabfallen.«
»Besten Dank für die Blumen«, knurrte Eirthe.
Lythande kicherte. »Ich habe dich doch nicht zum Schaf erklärt...
Ich wollte bloß sagen, daß, wer immer auch dieses Hindernis er-
richtet hat, kein großer Magier war oder sich dabei nicht viel Mühe
gab ...« Und richtig, wo der Finger durchging, paßte auch der Arm
durch, der Kopf und der Rumpf, und da war Lythande schon halb
hindurchgeschlüpft ... Er packte Eirthe am Handgelenk, rief:
»Komm mit!« und zog sie hinter sich her auf die andere Seite.
Eirthe hatte dabei ein Gefühl wie einstens beim Eintauchen in den
Teich vor ihrem Elternhaus - nein, eher wie beim Wiederauftau-
chen ... war es doch drüben sehr viel heißer und trockener als
hüben. Und je höher sie stiegen, je mehr sie sich also dem Vul-
kankrater näherten, desto heißer wurde es auch, und desto schwe-
felhaltiger und beklemmender wurde die Luft. Als sie noch etwa
vier Schritte vom Kraterrand trennten, stieß der Vulkan erneut
blubbernde Lava aus.
Lythande sprang von der Rinne zurück, in die sich die rotglühende
Masse ergoß, und riß auch Eirthe mit, die in all den Jahren wohl
verlernt hatte, schnell auf Hitze zu reagieren. Und aus der Tiefe
des Vulkans erhob sich nun die reinste Sopranstimme, die man
sich vorstellen kann, und sprach: »Gut, daß ihr kommt. Es ist
schon so lange her, daß mir jemand eine Jungfrau als Opfer ge-
bracht hat.«
Da holte Eirthe Luft, um lautstark zu
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