Lichtschwester
zustürmen. Ein Troll!
Aber - und nun fiel ihr ein Stein vom Herzen -, das war doch der
Jungtroll, der ihr zuvor schon gefolgt war ... Er stürzte sich auf
sie, umklammerte sie und winselte vor Angst und Entsetzen. Über
seine Schulter hinweg sah Edyth in der Ferne Lichter zwischen den
Bäumen tanzen und schwanken - Fackeln! Und das Gebell der
Hunde kam immer näher; sie folgten sicher der Fährte des Trolls.
Gleich wären sie da: die Meute, die Fackelträger und die Jäger mit
ihren Spießen - Menschen, Schutz und Sicherheit, Wärme und
Essen.
Der Jungtroll wimmerte und weinte. Er hätte in der Höhle bleiben
sollen, ging es Edyth durch den Kopf, er ist jung, zu unerfahren,
um sich gegen eine Schar Jäger und ihre Hunde zu verteidigen! Sie
gab ihm einen kräftigen Stoß in den Rücken und herrschte ihn an:
»Hau ab, verschwinde! So lauf schon!« Aber er klammerte sich
nur wieder an sie. Da fluchte sie laut in ihrer Ratlosigkeit. Diese
Männer würden ihn töten, die Männer, die für sie warme Kleidung, ein wärmendes Feuer und warmes, gutes Essen bedeuteten. Wo waren nur die anderen Trolle geblieben? Und wo die Mutter des Jungen? Warum hatte die nicht dafür gesorgt, daß er in der Höhle blieb, dort, wo er hingehörte und in Sicherheit wäre? Schluchzend vor Zorn und Not, packte sie seine Pranke, die schon ein gutes Stück größer war als ihre Hand, zog ihn hinter sich her und rief: »Komm jetzt, lauf!«
Sie stolperten den Hang hinauf - auf der Flucht vor der Meute und auf dem Weg zurück zur Höhle und zu Hunger und Kälte. Aber die Hunde waren schnell, fast so schnell wie die Wölfe, die zu jagen sie ja gezüchtet wurden, und sie kamen rasch näher. Nein, da gab es kein Entrinnen für sie! Verzweifelt blickte Edyth sich um ... Dort!
Der riesige Baum vor ihnen! Sie schleifte den Troll zu dem Baumriesen und stieß ihn derb ins Kreuz. »Los, steig hinauf! Mach schnell!« Dabei wußte sie ja nicht einmal, ob ein Troll überhaupt klettern kann. Aber dem Jungtroll dämmerte bereits, was er zu tun hatte, und er grunzte zustimmend und begann, sich schwerfällig im Geäst hochzuhangeln.
Da sah sie auch schon einen Hund durchs Dickicht brechen und auf die Lichtung stürmen. Kurz entschlossen stieg sie dem Troll nach und trat wild nach dem Hund, der bereits am Stamm hochsprang und wütend nach ihr schnappte. Einen Moment später umringte die ganze Meute den Baum - riesengroße Jagdhunde mit zottligem Fell und mit weit heraushängender roter Zunge und schimmernden Zähnen. Edyths Trollgeruch machte die Tiere rasend. Sie ... sie hatte sehr lange unter Trollen gelebt, in ihrer Höhle geschlafen - und dabei ihren Geruch angenommen! Die Meute würde sie in Stücke reißen! »Hilfe!« schrie sie in panischer Angst.
Fackelschein zwischen den Bäumen. Ein Mann trat auf die Lichtung, ein Jäger, verlangsamte den Schritt, als er sie gewahrte. Edyth wagte nicht, sich zu rühren, schrie aber und schrie: »Hilfe! Ich bin ein Mensch!«
Nun kamen noch mehr Jäger herbei und starrten sie so entgeistert an, daß sie sich jäh und peinvoll ihrer Nacktheit bewußt wurde. Sie versuchte verzweifelt, ihre Blöße mit den Händen zu bedecken, und blinzelte ängstlich ins Fackellicht. Als sie aber hörte, daß die Jäger leise über sie beratschlagten, packte sie ihr Amulett und umklammerte es fest. Glaubten die ihr denn nicht? War sie am Ende in eine Trollin verwandelt worden? Und in ihrer Verzweiflung schrie sie: »So helft mir doch! Im Namen der Götter! Ruft diese Hunde zurück!«
Endlich trat einer der Männer vor und brachte die Jagdhunde mit ein paar Stockhieben zum Schweigen. »Du bist ein Mensch?« »Aber ja! Weißt du denn nicht, daß Trolle nicht sprechen können?«
Der Jäger knurrte enttäuscht, winkte aber den anderen, die darauf auch begannen, die Hunde anzuleinen und zurückzuzerren. Da stieg Edyth so gut sie es vermochte, ohne ihre Blöße zu zeigen, zu dem Jäger hinunter.
Er ließ ihr sogleich einen Umhang bringen, grollte aber, als sie sich dankbar damit einhüllte: »Wir hielten dich für einen Troll. Die Kerle haben uns heute nacht Vieh gestohlen, uns zwei Ochsen fortgeschleppt.« Eine Anklage.
Die Hunde zerrten immer noch wie rasend an den Leinen, um wieder an den Baum zu kommen. Einer der Hundeführer rümpfte angewidert die Nase. »Puh! Die stinkt ja genau wie ein Troll!« Sie verlangten eine Erklärung von ihr. Aber ihr drehte sich der Kopf. Sie fand
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