Lichtschwester
die Worte nicht mehr, wußte nicht, was sie sagen, wie sie es ausdrücken sollte. Aber da war auch noch der Jungtroll dort oben im Baum, so schutzlos ohne seine Mutter, und die Hunde hatten ihn sicher schon gewittert. Führe sie von hier fort! »Ich ...«, stammelte sie, von Krämpfen geschüttelt und mit klappernden Zähnen. »T ... Trollh ... höh . .. le.« »Du meinst, du warst in ihrer Höhle?« »J ... j . .. aa. Hab mich drin versteckt.«
Die Männer starrten sie spöttisch und zweifelnd an. Da stocherte sie im Nebel ihrer Erinnerungen nach einem Argument, das sie nun hätte überzeugen können; aber ihr fiel nichts mehr recht ein ... »V ... ver ... irrt«, stotterte sie schließlich, »hab mich verirrt.«
Einer der Jäger spie verächtlich vor ihr aus. »Schafscheiße, das! Trolle fressen jeden, den sie in ihrer Höhle finden ... Die halten dir den Kopf abgerissen, genau wie meinen Ochsen, meinen besten Ochsen!«
»Nein, ehrlich!« beteuerte Edyth. »Ich bin splitternackt zu ihnen gegangen. So haben sie mich für eine von ihnen gehalten, für eine Trollin.«
Da hieß der Anführer seine Leute schweigen. »Lassen wir das! Die Trolle . .. wo sind sie jetzt hin?«
Edyth bemühte sich verzweifelt, nicht an den Troll zu denken, der über ihren Köpfen in der Baumkrone hockte, und betete zum Himmel, daß er sich still verhalten möge, keinen Laut von sich gebe. »Ich ... ich weiß nicht. Ich habe sie aus den Augen verloren ... ich versuchte, ein Haus oder ein Dorf zu finden, irgendeinen Ort...«
Der Jagdführer warf ihr einen mißtrauischen Blick zu. Aber jetzt erhob ein anderer die Stimme: »He du! Wie heißt du eigentlich?«
Da mußte sie erst nachdenken, sich Zeit nehmen. »Edyth. Ja, Edyth Egilsdottr. Aus ...« Sie wußte nicht mehr weiter. Aber der Mann nickte befriedigt. »Genau, das war der Name . .. den der junge Bursche nannte. Er kam gestern, glaube ich, hier durch und hat nach dir gefragt. Du hättest dich sicher im Wald verirrt, hat er gesagt.
Magni hieß er. Dein Mann? Bist du etwa deinem Mann ausgerissen?«
Magni? An den müßte sie sich doch erinnern. An den und an Nemian. Ja, ihr Meister. Aber ihr Mann? Hatte sie denn jetzt einen Mann? Verwirrt schüttelte sie den Kopf. Der Jäger knurrte verächtlich: »So viele nackte Frauen, die im Wald rumlaufen oder sich in einer Trollhöhle verstecken, gibt es hier ja auch wieder nicht. Das ist sie, bestimmt. Besser, wir bringen sie gleich ins Dorf.« »Und was ist mit den Trollen?«
»Dafür ist es schon zu spät. Wir finden ihre Fährte jetzt nicht mehr.«
Der Anführer funkelte Edyth noch einmal an, als ob sie an ihrem Jagdpech schuld sei, und die Hunde knurrten sie noch immer recht argwöhnisch an - aber man nahm sie mit, und ihr war es gleich, ob das bloß widerwillig geschah. Die Hütte, in die man sie brachte, war ein aus frisch gefällten Stämmen errichtetes rohes Blockhaus. Aber im Kamin brannte schon ein gutes Feuer, und ihr war endlich, endlich wieder warm - und sie war vor der Trollhöhle bewahrt.
Sie hatte sich den Trollgeruch abgewaschen, ein schönes, frisches Kleid angezogen, sich den Bauch mit guter Menschenkost gefüllt.
Die Dörfler drängten sich um sie. Diese Frau, die bei den Trollen gelebt hatte, erschien ihnen faszinierend wie abstoßend, und sie überschütteten sie mit tausend Fragen. »Du hast Menschenfleisch gegessen, ja?«
»Nein! Sie ... die Trolle aßen meist Aas ... Eber, Rehe, manchmal eine Ziege oder ein Schwein.«
»Oder einen Ochsen«, grollte einer aus der Schar.
»Du sagst, die äßen kein Menschenfleisch?«
»Nein ... also, ich meine, ich hab das nicht gesehen ... Aber ich habe nie ...«
»Und was ist mit dem Schatz?«
»Genau«, pflichtete ein anderer bei, »es heißt, in der Trollhöhle liege ein Schatz. Gold!«
Edyth fuhr ein fürchterlicher Schrecken in die Glieder. Sie faßte nach ihrem Amulett. »Ein ... ein Schatz? Nein, nein. Nur ein paar Knochen und verrostete Sachen. Sonst nichts. Kein Schatz!« Aber tief in ihrem Gedächtnis war, halb vergessen, doch so etwas. Ein Schatz! Ein Armreif ... König Elessen ... Nein. Sie sträubte sich. Oh, sie hatte gesucht, das wußte sie nun wieder ganz genau. Wochenlang gesucht, in den dunkelsten Winkeln der Höhle ... jeden Haufen von halb verrottetem Unrat durchwühlt. Aber nichts.
Nichts.
Sie umklammerte noch immer ihr schützendes Amulett. Und
Weitere Kostenlose Bücher