Lichtzeit - Gibson, G: Lichtzeit - Nova War
den Blick; ihr Mund war wie ausgedorrt. »Und was wäre aus mir geworden?«
»Ich fürchte, Sie wären gar nicht mehr am Leben. Anfangs hätte man den Maschinenköpfen eine Amnestie gewährt, weil das Konsortium alles daransetzte, gegen die Freistaatler einen massiven militärischen Gegenschlag zu führen. Sie selbst hätten sich zum Dienst an der Waffe gemeldet, getrieben von einer fanatischen Wut – denn immerhin hatte man Ihre Heimatwelt ausgelöscht.«
»Und die Shoal – was hätten die unternommen?«
»Gegen ein in den ersten Anfängen steckendes, interstellares Möchtegern-Imperium direkt vor ihrer Haustür, welches jedoch nicht über die Ressourcen und Reichweite der Emissäre verfügt?« Abermals ein Schulterzucken. »Sie hätten selbstverständlich Ihre ganze Spezies ausgerottet – was denn sonst?«
Dakota saß regungslos da. »Von alledem brauche ich aber nichts zu glauben. Sie können mir jedes beliebige Bild vorgaukeln, mich sehen lassen, was ich Ihrer Ansicht nach sehen soll, und dann nehmen Sie an, dass ich es für die Realität halte. Sie behaupten also, dass diese Ereignisse eingetreten wären, wenn ich das Wrack nicht aus dem Nova-Arctis-System herausgeholt hätte.«
»Verraten Sie mir eines, Miss Merrick, was wäre Ihrer Meinung nach geschehen, hätte Senator Arbenz das Wrack geborgen?«
»Lassen Sie mich von diesem Sessel aufstehen«, flüsterte sie. »Übertragen Sie jemand anders die Aufgabe, die Galaxis zu retten.«
»Das kann ich tun«, räumte der Bibliothekar in aller Gelassenheit ein. »Wenn Sie das wirklich wünschen.«
In diesem Augenblick fiel ihr etwas ein. »Vorhin erwähnten Sie, dass es noch andere … Kandidaten gäbe. Wer sind sie?«
»Das wissen Sie doch längst. Einer offenbarte sich Ihnen selbst, und die Präsenz des anderen haben Sie erst kürzlich wahrgenommen.«
»Tutor Langley.«
»Und Hugh Moss natürlich.«
»Sie dürfen nicht zulassen, dass er …«
»Wenn Sie sich weigern, sich mit mir zu verbinden – mein Navigator zu werden -, bleibt mir kaum eine andere Wahl.«
»Und warum nicht?«, schrie Dakota. »Warum bleibt Ihnen keine andere Wahl?«
»Die Antwort darauf macht noch eine Lektion in Geschichte erforderlich. Schauen Sie her …«
»Nein! Sagen Sie mir nur, warum Sie …«
Auf einmal war die Luft über ihnen mit neuen Bildern angefüllt. Einige davon, die das Imperium der Weisen in seiner Hochblüte zeigten, kannte Dakota bereits; doch indem ihr zusätzliches Wissen offenbart wurde, verstand sie, dass ihr einige Türen und Pfade bisher verschlossen waren. Nun sah und entdeckte sie Dinge, die diese fremdartigen Wesen ihr zuvor noch nicht enthüllt hatten.
Sie begriff, dass die Schiffe der Weisen ursprünglich nichts anderes als Waffen waren – autonom, intelligent und mit einem ungeheuren Zerstörungspotenzial. Sie stellten das letzte fürchterliche Vermächtnis aus dem Nova-Krieg dar, dem die Weisen zum Opfer gefallen waren, und sie hatten die Große Magellan’sche Wolke durchstreift, auf der Suche nach bewohnten Systemen, nur um diese zu vernichten. Doch schließlich hatten ausgerechnet die Wesenheiten, zu deren Vernichtung man diese Waffen eigens gebaut hatte, die Sternenkiller umfunktioniert und ihnen eine neue Bestimmung gegeben; sie programmierten sie um, so dass sie nicht mehr eigenständig agieren konnten, sondern auf einen bewussten, biologischen Geist angewiesen waren, der sie lenkte.
Die Unzahl von Bildern verblasste allmählich, bis Dakota abermals
mit dem Bibliothekar allein war. »Jeder von uns braucht einen Navigator«, betonte dieser. »Ohne einen Verstand, der uns leitet – ein Bewusstsein, wenn Sie so wollen -, sind wir völlig handlungsunfähig. Aber in Verbindung mit einem Bewusstsein können wir nicht anders als gehorchen. Sie hätten das Nova-Arctis-Schiff nicht so erfolgreich steuern können, ohne sich zuerst physisch mit ihm zu verknüpfen. Das bedeutet, dass Sie Leuten wie Moss oder Langley weit überlegen sind, die gar nicht imstande wären, in dieser Weise mit mir zu sprechen oder sich direkt mit den Informationen in meinen Datenspeichern auseinanderzusetzen, so wie Sie es tun. Doch die Entscheidung liegt bei Ihnen.«
Dakota unterdrückte einen Schauder. »Vielleicht wären Sie mit Langley besser beraten. Er kann sicher nicht noch mehr Unheil anrichten, als es mir bereits gelungen ist.«
»Glauben Sie das wirklich?«, hielt der Bibliothekar ihr entgegen. »Ich kann Ihnen die wahrscheinlichsten Resultate von beiden
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