Liebe ahoi
ist es Ihnen bisher an Bord ergangen, Nate? Erfüllt die Reise die Erwartungen Ihrer Tochter?«
»Hey, daran erinnern Sie sich noch? Ja, es ist alles perfekt. Heute waren wir mit den Kleinen in der Grotta del Nettuno. Ich wusste gar nicht, wie alt diese Höhlen sind.«
»Einige von meiner Familie waren auch da. Sie waren ganz begeistert.«
»Kein Wunder. Warum sitzen Sie denn hier so allein herum? Haben Sie genug von Ihrer Reisetruppe?«
Wie wunderbar seine Augen funkelten.
»So ist es«, ging sie auf seinen Scherz ein. »Ich habe gerade überlegt, ob ich von Bord springen und an Land schwimmen soll. Was ist mit Ihnen?«
»Ich habe mir schon angesehen, wo sich die Rettungsboote befinden. Sobald es richtig dunkel ist, werde ich mir eins davon schnappen.«
»Dann sagen Sie mir Bescheid. Ich übernehme auch ein Ruder. Bis es hell wird, müssten wir eigentlich an Land sein. Ich bringe ein bisschen Kuchen vom Buffet mit, damit wir unterwegs nicht verhungern.«
Nate lachte laut, ein wunderbares Lachen, das tief aus seiner Kehle kam.
»Beth, vielleicht erscheint Ihnen das ein bisschen schnell, aber hätten Sie Lust, heute Abend mit mir zu essen?«
Wow, das überraschte sie jetzt wirklich! Was sollte sie antworten? Früher wäre sie in Panik geraten, hätte Patsy angerufen, wäre noch mehr in Panik geraten, hätte einen Plan gemacht, ein Outfit geshoppt, wäre noch mehr in Panik geraten und hätte eine Stunde vorher alles abgesagt. Aber so war die alte Beth. Die neue »Ich bin im Urlaub und werde mich amüsieren«-Beth traf eine spontane Entscheidung.
»Wie wär’s, wenn wir hier oben äßen? Da drüben an dem Tisch?«
Sie zeigte auf einen kleinen Teaktisch für zwei, direkt an der Reling. Von dort hatte man einen herrlichen Blick aufs Wasser.
»Das sieht perfekt aus.«
Als Benji das nächste Mal vorbeikam, fragten sie ihn nach der Speisekarte, und er zog sofort zwei Exemplare unter seinem Tablett hervor. Sie bestellten beide Steak mit Pommes frites. Das war weder exotisch noch besonders gourmetmäßig, aber genau das, wonach Beth der Sinn stand. Vielleicht hatte sie das in den letzten Jahren immer falsch gemacht. Sie hatte komplizierte Dates in irgendwelchen Edelrestaurants arrangiert, dabei hätte sie es einfach nur entspannt angehen sollen. Mit einem Steak essenden Cowboy.
»Ich muss Ihnen diese Frage jetzt stellen: Wieso sind Sie mit Ihrem Exmann und seinen ganzen anderen Frauen unterwegs? Ist das nicht etwas ungewöhnlich? Ich meine, ich habe ein gutes Verhältnis zu meiner Exfrau, aber ich würde mit ihr nicht mal einen Ausflug nach Disneyland machen.«
Beth musste so laut lachen, dass sogar das knutschende Paar erstaunt aufsah. »Wissen Sie was, ich weiß es selbst nicht so genau. Mein Exmann feiert seinen fünfzigsten Geburtstag, und er wollte gern alle dabeihaben, die bisher in seinem Leben wichtig waren. Ich glaube, ich bin nur eingeladen, weil er nicht wusste, dass es an Bord einen Babysitterservice gibt.«
Benji erschien mit zwei Flaschen Bier und den Steaks und bat sie an den Tisch.
In den nächsten drei Stunden sprachen sie über ihre Familien und ihre Jobs. Sie unterhielten sich über ihre Teenagerzeit und ihre Ehen und über Geschichten, die man sonst nur Freunden anvertraute. Und sie lachten. Der Abend war wunderbar locker und unkompliziert und absolut perfekt, fand Beth.
Zumindest bis plötzlich der riesige Monitor vor ihnen zum Leben erwachte, der tagsüber dazu benutzt wurde, die Gäste im und am Pool mit Musik und Filmen zu unterhalten.
Beth schaute auf die Uhr. Fast elf. In der Bordzeitung hatte sie gelesen, dass jeden Abend um diese Zeit eine Late-Night-Vorstellung auf dem Programm stand. Wie schade. Nun würde ihre schöne romantische Stimmung von irgendeinem blöden Actionfilm zerstört werden, und sie würden sich anbrüllen müssen, um sich weiter zu verständigen.
»Ich fürchte, jetzt ist Kinozeit«, sagte sie traurig.
Sie wollte gerade vorschlagen, den Abend zu beenden, als donnernder Applaus aus der Lautsprecheranlage drang. Danach folgte eine vertraute Stimme. »Vielen Dank. Ich freue mich, dass ich heute Abend bei Ihnen sein darf.« Wieder Applaus. Beth war so erstaunt, dass ihr die Tränen in die Augen traten. Sie blinzelte heftig dagegen an. Das war unfassbar. Das war kein Film. Es war ein Konzert, und nicht einfach nur irgendeins.
»Der erste Song, den ich heute Abend für Sie singen möchte, ist To See You Smile .«
Tim McGraw, ihr absoluter Megalieblingssänger.
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