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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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    In diese Stimmung hinein platzte Babukin. Er blieb an der Tür stehen, schüttelte seine Stiefel, daß die Sporen klingelten und tönte dann:
    »Ich kannte mal eine Witwe, die saß auch immer im Bett und wartete, daß jemand kam, um sie von ihrer Trauer zu befreien. Aber die Tage gingen dahin, und keiner erbarmte sich ihrer. Eines Nachts aber wachte sie auf, und juchhei, man glaubt es nicht, spürte sie ein Kitzeln zwischen den Beinen. Stockdunkel war's, und sie wollte nicht das Licht anstecken, um den Eindringling zu verjagen, aber sie griff zart nach unten und erwischte einen starken Bart. Hoho, war das ein Fest. ›Bist du's, Wassja?‹ fragte die Witwe. Keine Antwort. ›Dann bist du's, Nikita?‹ – Tiefes Schweigen. Aber der Bart schabte und schabte, und es jubelte in ihr wie ein Sphärengesang. ›Ha!‹ schrie sie darauf. ›Nun erkenn' ich dich. Du bist's, Dementi! Nein, du, Gawrilow. Oder sollte es gar Jurotschka sein? Juchhu, du Wilder! Es ist nicht zum Aushalten!‹ Sie machte das Licht an, und was sah sie? Nicht Jurotschka oder Dementi … es war Iwan, ihr Ziegenbock –«
    Evtimia hob kurz den Kopf. Sie lachte nicht, sondern blickte Babukin mit bereits toten Augen an.
    »Verschwinde, du altes Schwein …«, sagte sie klar und deutlich.
    »Das hat auch die Witwe Marianka gerufen und am nächsten Tag den Bock kastriert.« Babukin setzte sich neben Evtimia auf das Bett. Jeden anderen hätte sie mit den Fäusten weggejagt, denn es war Kolzows Bett … Anton Christoforowitsch durfte bleiben. Er war die Vergangenheit Perjekopsskajas, ein Abbild der schönen, fernen Zeit, ein Stück aus dem Museum des Lebens.
    »Was willst du?« fragte Evtimia.
    Babukin saugte an seinem rechten Daumen wie ein Kind. Die Uniform schlotterte um seinen zusammengeschrumpften Körper. »Ich habe das Bedürfnis, mich mit dir zu unterhalten. Mit wem kann man das sonst noch, Evtimia Wladimirowna? Mit dir kann man reden.«
    »Schicken dich die anderen?«
    Babukin biß sich in den Daumen. Ein Luder ist sie trotzdem, dachte er. Man kann ihr nichts vorspielen. Das hatte schon Dimitri gesagt: Evtimia hat Röntgenaugen. Sie blickt einen an, und im Innern ist es plötzlich hell wie ein Sportplatz unter Tiefstrahlern.
    »Welche anderen?« fragte Babukin unschuldig.
    »Du lügst wie ein Schwein, das aus der Suhle kriecht. Man sieht sofort, woher du kommst. Was willst du wirklich?«
    »Eigentlich nichts.«
    »Dann geh!«
    »Evtimia –«
    »Laß mich in Ruhe, Alter!« Sie erhob sich vom Bett und strich zärtlich über das Kissen, auf dem einmal Kolzows Kopf gelegen hatte. Babukin schluckte und hüstelte. Er dachte an seine drei Frauen, die er in aufrechter Haltung überlebt hatte, und fragte sich, ob eine von ihnen so ehrlich um ihn getrauert hätte. Er bezweifelte das und spürte eine heilige Wut gegen seine drei Weiber aufsteigen.
    »Du hast recht, Evtimia Wladimirowna«, sagte er, stand vom Bett auf, gab der verblüfften Witwe einen schmatzenden Kuß auf den Mund und polterte in die Küche. »Ein Mann wie Dimitri ist Trauer wert. Wer das anders sieht, ist ein Idiot. Was kochst du heute?«
    »Nur einen Haferbrei.«
    »Besser als Luft im Bauch.« Babukin setzte sich an den Ofen, löffelte zwei Tonschüsseln mit Brei in sich hinein, trank noch einen Becher Tee und bedankte sich mit einem Rülpsen. »Hätte ich jemals eine Frau wie dich gehabt«, sagte er dann. »Mein Leben wäre anders verlaufen, glaube es mir. Die meisten Männer brauchen eine Frau, die sie auf den richtigen Weg stellt. Gehen können sie dann von allein. Mir hat das immer gefehlt. Ein glücklicher Mensch, der Dimitri Grigorjewitsch.«
    Im Parteihaus wunderte man sich, daß Babukin so schnell wieder zurückkam. »Was ist los?« schrie ihn Kotzobjew an. »Warum lacht sie nicht? Sonst ist der Alte nicht zu bremsen mit Witzen und Blödheiten, aber jetzt, wo man ihn braucht, tröpfelt es aus ihm heraus wie bei einem Blasenkranken.«
    »Sie liebt Dimitri«, sagte Babukin verklärt. »Freunde, was für eine Frau –«
    Ein paar Stunden später starb Evtimia. Sie war allein, nicht einmal die Katze und Balwan, der Hund, waren im Zimmer.
    Ganz still starb sie … das Herz, zerbrochen in der Sehnsucht nach Ruhe, setzte einfach aus. Vater Ifan fand sie am Abend – sie saß wieder in der ›schönen Ecke‹, den Kopf weit zurückgelehnt, und ihre erloschenen Augen blickten auf die Ikone, das Ewige Licht und die Fotografie ihres Mannes, die sie unter die Ikone gehängt hatte, als sei

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