Liebe am Don
keine Zeitung diese Anzeige auf. An wen soll sie denn die Rechnung schicken? Oder glaubt ihr, die machen es umsonst, weil vom lieben Mütterchen die Rede ist? Verkaufst du einen Knochen um null Kopeken, Kotzobjew?«
»Da hat er recht.« Kotzobjew nahm die Mütze vom Schädel … sie drückte plötzlich, als sei sie durch seinen rinnenden Schweiß eingelaufen. »Wie aber soll's gemacht werden?«
»Die Anzeige muß gleichzeitig mit einer telegrafischen Geldanweisung bei der Zeitung eintreffen.«
»So etwas ist möglich?«
»Natürlich.« Bulganin lehnte sich stolz zurück. »Bei der Post eines fortschrittlichen Staates kann man sein Geld telegrafisch aufgeben.«
»Du schickst also das Geld durch die Luft?« fragte Babukin fast atemlos.
»Ja.«
»Wir zahlen es bei dir ein, legen dir die Rubelchen auf den Tisch, und du läßt sie durch die Luft absausen?«
»Ja.«
»Ohne Rohr? Sssst … durch die Luft?«
»Ja.«
»Genossen!« Babukin spuckte in die Hände. »Er macht sich lustig über uns Kosaken! Packt ihn, holt ihn über die Theke und gerbt ihm den fetten Hintern! Rubelchen durch die Luft nach Wolgograd! Und wenn sie sich verirren und landen in Kasan, ha? Genossen, den blanken Hintern gerben wir ihm!«
Er wollte über die Theke klettern, hüpfte mit seinen krummen Beinen bereits hoch, aber die anderen hielten ihn fest und rissen ihn zurück. Bulganin sprang auf und fuchtelte mit den Armen durch die Luft.
»Ihr mißversteht mich schon wieder!« schrie er. »Und haltet den streitsüchtigen Alten fest! Überall, wo es Händel gibt, ist das Urväterchen dabei. Telegrafisch heißt: Ihr zahlt hier ein, ich melde dem Hauptpostamt in Wolgograd die Einzahlung, und das benachrichtigt die Zeitung und bringt ihr die Rubel. Dann kann die Anzeige sofort bearbeitet werden. So ist der Weg, Freunde.«
Babukin war zufrieden. Die anderen ließen ihn los und lachten. »Warum erklärt er das nicht sofort?« rief der Alte. »Wie soll man's wissen? Haben wir Postwissenschaft studiert? Was kostet so eine Anzeige?«
»Das haben wir gleich.«
Bulganin telefonierte mit der Wolgograd-Prawda, kündete die Anzeige und die telegrafische Überweisung an und bedankte sich höflich bei dem Genossen am Annoncenschalter. Dann sah er die wartenden Genossen aus Perjekopsskaja an. »Zehn Rubel kostet die Anzeige.«
»In einem Blatt der Partei?« fragte Babukin entgeistert. Wer konnte es anders sein?
»Sie haben auch Unkosten. Papier, Farbe, Druck, die Redakteure, Sekretärinnen, Boten, Arbeiter …«
»Aber zehn Rubel für so wenig Text?«
»Sie rechnen nach Millimetern.«
»Wir wollen keine Millimeter veröffentlichen, sondern eine Todesanzeige. Bulganin, was ist das wieder für ein Trick?«
Es blieb dabei … die Anzeige kostete zehn Rubel. Kotzobjew und Rebikow legten das Geld vor, und dann sahen und hörten sie zu, wie Bulganin diese zehn Rubel über das Telefon auf die Reise nach Wolgograd schickte.
»Wir leben schon in einer fortschrittlichen Welt«, sagte Babukin später beeindruckt auf der Straße. »Wenn man sich das überlegt. Man wirft zehn Rubel bei Bulganin auf die Theke, er zählt sie, ruft an, und Minuten später ist das Geld an Ort und Stelle … das ist schon eine große Leistung. So etwas gibt es nur bei uns in der Sowjetunion –«
In der Nacht wachten zwölf Frauen neben der toten Evtimia. Sie lag jetzt in ihrem Bett, umkränzt mit Blumengirlanden, und wirkte jünger, als sie je ausgesehen hatte. Ihr Gesicht war glatt … alle Runzeln hatte der ewige Friede ausgelöscht –
*
Mit Bodmars Rückkehr vom Mamajew-Hügel zerplatzte die verzweifelte Angst, die Njuscha und selbst Borja erfaßt hatte.
Als Borja beim Einbruch der Dämmerung an der Gruft der Familie Shukendskij seinen Einkaufskorb abstellte, wie immer die Grabplatte lüftete und in die modrige Dunkelheit hinunterrief: »He, aufgepaßt! Heute gibt es Bratfisch mit Kartoffelsalat!« blieb es erst eine Weile still im Grab. Dann bemerkte er ein huschendes Licht zwischen den Marmorsärgen und zuckte zusammen, als Njuscha aufschrie.
»Sascha ist fort!« hallte es aus dem Grab. »O mein Gott … Sascha ist nicht mehr hier!«
Borja stemmte den Deckel höher und legte sich auf die Erde. Bis zur Brust hing er über dem Einstieg und starrte in die Gruft. Njuscha stand mit einer brennenden Kerze an der verrosteten Leiter, und ihre entsetzten Augen flehten hilfesuchend zu Borja.
»Er … er ist weggegangen …«
»Unmöglich.« Borja umklammerte die Leiter. »Er
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