Liebe auf Arabisch
und verwundbar hielt und gegen Bezahlung beschützte.
Safié erzählte auch von philippinischen Paaren, die gemeinsam hierhergekommen waren und deren Kinder nicht das Recht hatten, eine saudische Schule zu besuchen. Sie gingen nun getrennt nach Geschlechtern auf Privatschulen, die zumeist von Levantinern geleitet wurden. Als sie Joumana kommen sah, schwieg sie. Ich fragte mich plötzlich, wie meine Freundin, die der Worte nicht müde wurde, mit der sie die eigene Unterdrückung anklagte, so blind gegenüber denjenigen sein konnte, denen
es noch schlechter erging. In ihrer Wut über die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern vergaß sie die nicht minder große Ungleichheit zwischen den Klassen.
Häufig ergab es sich, dass auf das Thema Dienstmädchen das Thema Privatleben folgte, und meine Freundinnen sprachen geradezu offenherzig von ihren Tricks und ihren Strategien, so dass man fast den Eindruck bekam, sie hätten nicht nur das Gespräch, sondern auch ihr eigenes Schicksal fest in der Hand.
Eines ist allerdings ganz klar: Der Ursprung ihrer überbordenden Fantasie und ihrer unzähligen Geschichten ist die Langeweile. Sie gehen wenig aus, haben keine wirklichen Hobbys, um die Hausarbeit und die Kinder kümmern sich ausschließlich Bedienstete, und ihre Ehemänner arbeiten den ganzen Tag oder sind auf Geschäftsreise. Sie verbringen ihre Tage damit, sich herauszuputzen und Freundinnen zu empfangen. In ihrem Leben gibt es keine Überraschungen, es vergeht ohne Neuerungen, im Winter ein Aufenthalt in einem Land des Mittleren Ostens, im Sommer in London, Genua oder Paris.
Sofort wurde mir klar, dass ich im Gegenzug zu ihrer Gastfreundschaft ihr tristes Dasein erheitern musste. Ich war es ihnen schuldig, die Dinge für sie zusammenzutragen, die ich anderswo gesehen und kennengelernt hatte. Wenigstens das konnte ich tun, um ihre langweiligen Nachmittage mit der Wasserpfeife vor dem Fernseher zu erhellen. Joumana sagte mir später, die einzigen Momente, in denen der Fernseher nicht lief, wären meine Besuche. »Was sollen wir auch anderes machen? Kein Kino, kein Theater. Und vom Shoppen habe ich die Nase gestrichen voll!« Meine marokkanische Abstammung schmälerte ihr Interesse nicht, im Gegenteil, wie
ich bereits erwähnte. Ich war jedoch den gleichen Vorurteilen unterworfen, die man hier gegenüber den Frauen meines Landes hatte. Marokkanerinnen galten nicht nur als ständige Zauberinnen, sondern auch als Expertinnen in Sachen Sex. Marokko fasziniert die Araberinnen, weil es für sie eine Mischung aus Laster und Tugend darstellt, aus westlicher Verführungskunst und Haremsgeschichten, der gefährlichsten erotischen Mischung der Welt. Unserem Öl, wie Farah so schön sagte.
Eines Tages werden sie von diesem Trip runterkommen, dachte ich, und der Reiz meiner Gesellschaft wird verfliegen. Doch für den Moment bin ich die Exotin aus einem angeblich freien Land, die weiß, was in der Welt passiert, die ihr Tempo, ihre Vorzüge, Gepflogenheiten und ihre Männer kennt. So wie die weiße Taube aus den Handflächen des Straßenzauberers flattert, musste ich aus meinen Worten die ganze Welt emporsteigen lassen.
Die Gefahr eines Augenblicks
Gerade sitzen wir im Salon von der Größe eines halben Fußballfeldes, Sie erinnern sich, der sich neben dem Majlis befindet, dem Salon der Männer. Mittlerweile hat jede von uns einen Stammplatz, ich sitze in der Mitte in einem originalen Louis-Philippe-Sessel und nippe an der berühmten Vimto-Limonade. Die Vorliebe der Reichen vom Golf für Imitationen westlicher Möbel und Vergoldungen kannte ich bereits und fand sie hier in vollem Ausmaß verwirklicht. Es überrascht mich allerdings, dass nun auch die Marokkaner damit anfangen. Aus und vorbei ist’s mit unseren Wohnräumen, die von niedrigen Tischen, Hockern und Kissen verschönert wurden, jetzt kommen überladene Möbel und plumpe Motive. Adieu Berberteppich, willkommen Kunstledersofa. Im ägyptischen Film sieht es auch schon so aus. Mein Maghreb ist auf bestem Wege, die Eleganz der französischen Aristokratie gegen den falschen Pomp der arabischen Königshäuser einzutauschen.
Wie üblich betrete ich die Räumlichkeiten durch den Eingang speziell für Frauen, geführt von der Sudanesin Aya, die beinahe literarisches Arabisch spricht. Bevor ich sie später wieder verlasse, wird der draußen vor einer Durchgangstür postierte Inder Seddik fast das gesamte Viertel vorwarnen, er wird die Dienstboten links und rechts wie Fliegen
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