Liebe auf Arabisch
hatte verlangt, weiterhin Englischunterricht zu erhalten, den sie in ihrem Elternhaus per Korrespondenz begonnen hatte, und stellte zu diesem Zweck nun eine Libanesin ein. Trotz dieser Beschäftigungen gab sie den Bedrängungen ihres Ehemannes nicht nach, der sich eingeredet hatte, sie mehr als seine anderen beiden Frauen zu begehren, aus dem einfachen Grund, weil sie ihn ablehnte. Im Gegenzug hetzte er nun seine Ehefrauen gegen Farah auf und schlug sie mit der Peitsche, wann immer sie sich ihm verweigerte.
An ihrem fünfzehnten Geburtstag gebar sie einen Sohn. Der kleine Rachid gab ihr endlich einen Grund weiterzuleben, alles zu ertragen, sie widmete sich ganz seinen Bedürfnissen und verließ nur selten das Haus. Er war zehn Jahre alt, als sein Vater an Prostatakrebs starb.
Sie kehrte in den Schoß ihrer Familie zurück, wie es der Brauch will, nahm jedoch bei der leisesten Erwähnung einer neuerlichen Heirat Reißaus. Mit dreißig fühlte sie sich der Welt gewachsen und verlangte, allein mit Rachid in einer Wohnung zu leben, fest entschlossen, die verstrichenen Jahre der Frustration und Isolation wieder aufzuholen. Niemand wagte es, ihr diesen Wunsch zu verwehren, nachdem ans Licht gekommen war, wie sehr sie in all diesen Jahren gelitten hatte. Doch ebenso ahnte niemand das Ausmaß ihrer zukünftigen Freiheit, das nun ausschließlich ihrer angeheirateten Cousine Joumana und dem Kreis ihrer Vertrauten bekannt war.
Es war der zweite Golfkrieg, der Farah diese Freiheit ermöglichte, kamen doch durch ihn unzählige Flüchtlinge ins Königreich, hauptsächlich Iraker, einer schöner als der andere, die künftig ihr Adressbuch zieren sollten und ihr die Langeweile vertrieben. Viele Liebesgeschichten begannen in jener Zeit des politischen Umbruchs, in der die traditionelle arabische Gesellschaft durch die Öffnung der Grenzen zum Ausland auf die Probe gestellt wurde. Dies war umso bedrohlicher, da von tatsächlichen Ausländern nicht unbedingt die Rede sein konnte, der Irak gehörte schließlich ebenfalls zur Oumma, der Gemeinschaft islamischer Länder. Mit jedem Liebhaber rächte sich Farah in vollen Zügen an der Vergangenheit.
Für ihre Höhenflüge brauchte Farah kein Flugzeug. Sie fand Mittel und Wege, sich den Männern zu nähern und die Falle zuschnappen zu lassen. Es genügte, dem Auserwählten unbemerkt ihre Telefonnummer zukommen zu lassen oder ihm eine Botin aus der Familie zu schicken. Ein Schaufensterbummel diente ihr dazu, die Menschen in ihrem Rücken zu beobachten und mit einem
Augenaufschlag oder einem rasch geflüsterten Wort die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Die Pilgerfahrt nach Mekka übertraf jedoch alles, hier konnte sie so viele Liebhaber finden, wie sie nur wollte, aus jedem Land der Welt, sie folgte ihnen einfach ins Hotel, indem sie so tat, als sei sie die Ehefrau. Es war egal, ob sie die gleiche Sprache sprachen, alles, was sie wollte, war ihr Schatz, wie Farah sagte, sie wollte die Engel singen hören, ohne sich dafür zu rechtfertigen.
Und so kam es, dass sie uns erzählte, die indischen Pilger dufteten nach Gewürzen, die Farbigen nach Buschland, dass die Ägypter sich für die Pharaonen des Zipfelchens hielten und die iranischen Schiiten besser im Bett seien als die arabischen Sunniten.
»Ich gebe euch ein paar Tipps für den Fall, dass ihr es mir einmal gleichtun wollt«, schlug sie vor. »Sich mit dem Auto fortzubewegen ist eine sichere Sache, die Sittenpolizei wagt es so nicht, euch anzuhalten. Trefft euch in einem Kaufhaus. Ihr dürft euch auf gar keinen Fall abkapseln. Der sicherste Ort ist die Masse, dort müsst ihr euch so selbstverständlich wie möglich bewegen, und passt auf, dass ihr niemandem in die Arme lauft, den ihr kennt.«
Als sie einmal von der Sittenpolizei ertappt worden war, hatte ihr momentaner Verehrer, ein hartgesottener Kerl, blitzschnell reagiert. Er war auf den Mutawwa zugegangen und hatte ihn angeblafft:
»Schämen Sie sich nicht, meine Frau anzusehen?«
Der Polizist hatte sich unter tausend Entschuldigungen entfernt.
»Es gibt Orte, an denen man sich mit seinem Liebsten auch ohne Trauschein vergnügen kann. Männer finden
dort nur in Begleitung einer Frau Einlass. Wenn sie keine haben, bezahlen sie eine Bedienstete, um reinzukommen. Drinnen können sie dann ihre Seelenverwandte finden.«
Geduldig ließ sich Farah Löcher in den Bauch fragen.
Ich: »Was machen die jungen Männer den ganzen Tag, wenn sie nicht gerade bei der Arbeit oder in
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